Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Totengeld

Totengeld

Titel: Totengeld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathy Reichs
Vom Netzwerk:

    Mein Puls beschleunigte sich.
    Ich schloss die Augen. Sah ein Gebäude. Ein BETRETEN-VERBOTEN -Schild im Regen.
    Fakten fügten sich zusammen.
    Bilder stürzten auf mich ein.
    Ich riss die Augen auf.
    Sprang auf. Rannte zum Telefon.
    Wieder bekam ich nur Slidells Mailbox.
    Mutter Gottes!
    »Ich weiß, wohin die geschmuggelten Mädchen gebracht werden. Ich fahre jetzt dorthin.« Ich hinterließ die Adresse und legte auf.
    Randvoll mit Adrenalin schnappte ich mir eine Jacke, steckte eine Taschenlampe ein, griff mir die Schlüssel und rannte zum Auto.

 
    40
    Ich spähte durch verrosteten Maschendrahtzaun. Eine Mondsichel hinter zinnfarbenen Tentakeln zeigte die Szene hinter dem Zaun in Anthrazit und Schwarz.
    Das Lagerhaus ragte dunkel und bedrohlich auf. Obwohl es im Schatten lag, konnte ich die Laderampe und ihre bunte Ansammlung von verrosteten Fässern, einen wackeligen Tisch und ein verunstaltetes Piano erkennen.
    Vor der Laderampe stand ein Pick-up.
    In meinem Rücken, auf der anderen Straßenseite, brütete still und leer der kleine Bungalow.
    Vorsichtig auftretend ging ich um das Grundstück des Lagerhauses herum, weil ich eine Öffnung im Zaun suchte. Es dauerte nicht lange. An der Südseite des Gebäudes war der Maschendraht aufgeschnitten und nach innen gebogen worden.
    Mit einem Dank an die von Slidell so verunglimpften Obdachlosen schlüpfte ich durch den Spalt. Nach etwa zwei Metern stand ich vor einem verrosteten Schild an verbogenen Metallpfosten. Während ich den Strahler sorgfältig mit meiner Hand abschirmte, schaltete ich die Taschenlampe ein.
    Das Schild verkündete die Entstehung von sechsunddreißig Luxuslofts. Ich kauerte mich dahinter und horchte.
    Die Nacht war voller Geräusche. Blätter, die über den kiesbestreuten Beton wirbelten. Der gedämpfte Pfiff eines entfernten Zuges. Mein eigenes, ängstliches Atmen.
    Niemand schrie mich an, ich solle mich zeigen oder verduften.
    Ich hatte keinen wirklichen Plan. In meinem Eifer, die Mädchen zu retten, war ich einfach hierhergerast.
    Ich starrte das Gebäude an. Es starrte zurück, ohne eins seiner Geheimnisse zu verraten.
    Mir stockte der Atem. War da in einem der Obergeschossfenster ein Schatten vorbeigehuscht? Ich musterte das kaputte, schmutzverklebte Glas. Entdeckte keine Bewegung.
    Zehn Meter Beton gähnten zwischen dem Zaun und dem Gebäude. Hier und dort glänzte dunkel irisierend eine Pfütze. Steine und Gegenstände undefinierbarer Funktion sprenkelten die Fläche. Nichts war groß genug, um Deckung zu bieten.
    Ich zählte bis dreißig und schoss dann vorwärts.
    Kaum hatte ich die undurchdringliche Dunkelheit unter der Laderampe erreicht, drückte ich den Rücken an die Ziegel und horchte wieder.
    Tropfendes Wasser. Das Gurren einer aufgeschreckten Taube.
    Ich schaute mir den Pick-up genauer an, einen Chevy mit stark getönten Scheiben. Wie der, den ich vor dem Mixcoatl gesehen hatte.
    Citizenjustice? Der Mann, der mir die abgetrennte Zunge auf die Schwelle gelegt hatte? War er hier? War er vor der Taquería gewesen, um alles zu beobachten? Während er bereits den Mord an D’Ostillo plante?
    Auf Zehenspitzen schlich ich die rostige Metalltreppe hoch. Am anderen Ende der Rampe stand eine Tür offen. Ich ging hin und schlüpfte hinein.
    Der Geruch traf mich wie ein Schlag in die Magengrube. Brackiges Wasser, Urin, Schimmel, Taubendreck.
    Eigentlich wollte ich unbedingt die Lampe anschalten. Hielt es aber dann für zu riskant, bis ich sicher wusste, wer hier war.
    Mit hämmerndem Herzen schlich ich weiter. Wasser schwappte unter meinen Turnschuhen. Zwischen den Pfützen knirschte Vogeldreck.
    Langsam gewöhnten sich meine Pupillen an die Dunkelheit. Im schwachen Mondlicht, das durch Löcher in den Fenstern hoch über mir fiel, erkannte ich Details.
    Das Lagerhaus war höhlenartig. Eine Ziegelwand war versengt, lange Feuerzungen hatten ihre schwarzen, gewundenen Spuren hinterlassen. Eine andere Wand war mit Graffiti besprüht. Ein Vogel, ein ägyptisches Henkelkreuz, der Spruch DIE WARTEZEIT WERT auf einem leuchtend rosa Herzen.
    Ich schaute nach oben. Nester klebten an den Dachsparren, einige überragt von geschnäbelten Silhouetten. Ich spürte tausend Vogelaugen im Rücken.
    Etwas raschelte an meinem linken Fuß. Klauen klickten.
    Ich musste mich beherrschen, um nicht zu schreien. Stellte mir noch mehr Augen vor, rote Knopfaugen. Gelbe Zähne und lange Schwänze.
    Mit feuchten Handflächen bewegte ich mich tiefer ins Halbdunkel.

Weitere Kostenlose Bücher