Totengeld
Strip-Club.
John-Henry’s Tavern lag nicht weit von der Kreuzung Winifred und Bland entfernt. Auf den Grundstücken zu beiden Seiten wucherten komplette Ökozonen aus dem aufgeplatzten Beton.
Gegenüber stand ein fensterloser, mit Graffiti besprühter Bunker, der von einem Maschendrahtzaun umgeben war. Ein Schild warnte: »Betreten verboten.« Nichts deutete auf den Namen des Gebäudes oder seine Verwendung hin. Müll bedeckte eine erhöhte Plattform, die früher wohl eine Laderampe gewesen war.
Verrostete Bierfässer. Ein Tisch aus zusammengenagelten Brettern. Ein altes Piano mit einem aufgesprühten, schwarzen Totenkopf auf der Rückwand.
Slidell bog auf den kleinen Parkplatz der Taverne ein, der vielleicht geteert war. Oder auch nicht. Eine Schicht aus Dreck und Kies machte die Frage irrelevant.
»In dem Laden war in den Sechzigern ’ne Menge los.« Slidell schaltete auf Parken und stellte den Motor ab.
»Ich hätte eher vermutet, in den Zwanzigern.«
»Beach-Music, Bumsen und solche Sachen. Eine Weile schafften die Besitzer Wagenladungen Sand heran und hängten im Hof Lichter auf. Junge Arschlöcher taten so, als würden sie in Myrtle Beach zu Maurice Williams tanzen.« Mou-ries ausgesprochen.
»Wann war das?«
Slidell verlagerte einen Zahnstocher vom rechten in den linken Mundwinkel. »Ende der Siebziger.«
Ein Grinsen zog meine Mundwinkel nach oben. »Hatten hier wohl einige Aufrisse, was, Detective?«
Slidell schaute mich an, als hätte ich ihm gesagt, die Welt bestehe aus Gouda.
Wie kam ich auch auf so was? Slidell hatte wahrscheinlich schon mit sechzehn Leberflecken auf der Seele.
»Wer kommt jetzt so hierher?«
»Ältere Arschlöcher.«
»Was ist das?« Ich deutete mit dem Kopf auf das Gebäude gegenüber.
»Früher war das irgendeine Fabrik. Steht seit den Fünfzigern leer. Es gab das Gerücht, dass der Kasten zu Eigentumswohnungen umgebaut werden soll. Schätze, das Projekt ging in die Hose. Jetzt ist das Ding wegen der vielen illegalen Hausbesetzer nur noch ein Schandfleck.«
Einige Augenblicke musterten wir beide unser Ziel.
Abgesehen vom Coors-Schild, das in dem regenfeuchten vorderen Fenster leuchtete, hätte der kleine Backsteinbungalow auch ein Wohnhaus sein können. Eisengeländer begrenzten die beiden Treppen, die zur Veranda hochführten. Am hinteren Ende ragte ein Kamin in die Höhe, was auf eine offene Feuerstelle drinnen hindeutete.
Die früher rote Vordertür und die ehemals weißen Holzverzierungen waren ausgebleicht und blätterig. Ich war schon einmal hier gewesen. Wann?
Vor ihrer Anstellung im Büro des Public Defender hatte Katy kurz in der Gin Mill gearbeitet, einem angesagten Irish Pub ein paar Blocks weiter an der Tryon. Vielleicht hatte ich mich verfahren, nachdem ich sie dort abgeliefert hatte.
Slidells Taurus teilte sich den Parkplatz mit einem Pick-up und fünf Pkws , deren Tachos zweifellos sehr hohe Stände anzeigten.
Ich wollte eben etwas sagen, als ein Mann im Jogginganzug um das Gebäude herumkam und mit zweifelhafter Schrittsicherheit auf einen weißen Honda Civic zuging. Slidell und ich sahen zu, wie er einstieg und davonfuhr.
»Bereit?«, fragte ich.
Da ich Slidells Grummeln als Zustimmung nahm, trat ich hinaus in den Regen, aus dem inzwischen ein leichtes, aber stetiges Nieseln geworden war. Alles um mich herum triefte.
Nachdem Slidell sich aus dem Auto gewuchtet hatte, zog er seine Hose hoch, griff sich hinten an den Bund und drehte die Schultern. Ein Blick nach links und nach rechts, dann stieg er auf die Veranda und trat durch die Tür. Ich folgte ihm.
Wie erwartet hatte die Geschäftsführung der Taverne wenig Interesse an Beleuchtung. Oder Putzen. Es roch nach schalem Bier, menschlichem Schweiß, Fett und Rauch.
Als meine Augen sich an das Halbdunkel gewöhnt hatten, prägte ich mir Details meiner Umgebung ein. An Slidells angespanntem Rücken sah ich, dass er dasselbe tat.
Holztische mit nicht dazu passenden Stühlen füllten den Raum vor uns. An der rechten Wand stand eine Jukebox, darüber hing ein Spiegel in einem schweren, vergoldeten Rahmen. Dahinter befand sich der L-förmige Tresen, dessen kurze Seite in den Gastraum hineinragte.
Ich entdeckte einen zweiten Eingang ganz hinten auf der linken Seite, gegenüber dem Ende der langen Seite.
Im Augenblick wurde die Tür aufgehalten von etwas, das aussah wie ein Wasserspeier oder ein Gartenzwerg.
Zwischen dem Hintereingang und dem vorderen Ende des Tresens prangte eine Reihe von
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