Totengeld
Dann ging ich wieder zum Tresen.
Slidell hatte Poland inzwischen losgelassen, verhörte ihn aber noch immer.
Die Biertrinker und Tittenfrau konzentrierten sich weiterhin auf ihre Getränke.
»– wenn ich’s Ihnen doch sage, Mann. Ich weiß es nicht.«
»Sie wissen überhaupt nicht viel, was, Arschgesicht?«
Nachdem ich mich nicht sonderlich subtil geräuspert hatte, gewährte Slidell mir einen kurzen Blick. Ich deutete mit dem Kopf zur Tür.
Slidell runzelte die Stirn und knallte dann Poland noch zwei letzte Fragen hin. Bekam wieder nichts, aber er hatte gezeigt, was Sache war. Dirty Harry hatte das Sagen.
Schließlich klatschte Slidell seine Visitenkarte auf den Tresen und ließ den üblichen Spruch übers Anrufen ab. Dann ging er.
Wieder im Taurus, zog ich die geklauten Fotos aus der Handtasche und nannte die Dargestellten. Slidell betrachtete die Gesichter kommentarlos. Was mich überraschte.
»Story und Rockett waren also Saufkumpane«, sagte er schließlich.
»Das weiß ich nicht. Aber das da beweist, dass sie einander kannten.«
»Sollen wir in der Richtung mal ein bisschen stochern?«
»Ja, schon. Aber denken Sie dran, Dew will nicht, dass Rockett aufgescheucht wird.«
»Okay.«
Wir fuhren los, noch bevor ich mich angeschnallt hatte.
15
Rockett wohnte abseits des Highway 51 in einem der äußersten südwestlichen Ausläufer Charlottes. Während der ersten Hälfte der Fahrt berichtete mir Slidell, was er von Poland erfahren hatte. Was so gut wie nichts war.
Nach einigem Bohren hatte der Barkeeper zugegeben, den Besitzer der Taverne einige Male gesehen zu haben. Er sagte, Story sei kein Trinker gewesen und habe kein Interesse daran gehabt, seine Angestellten kennenzulernen.
Poland hatte den Eindruck, dass Story normalerweise mit Männern kam und eher in geschäftlichen Angelegenheiten als zum privaten Vergnügen. Sicher war er sich nicht, da Story keiner sei, der gern und häufig lächelte. Wer mit der Fotogalerie angefangen habe, wusste Poland nicht. Auch nicht, wer sie jetzt in Schuss hielt. Die Sammlung reiche weit vor seine Zeit zurück.
»Anscheinend hatten es weder Story noch Rockett sonderlich mit Diskretion.« Während der ganzen Fahrt fragte ich mich schon, was das zu bedeuten hatte.
Slidell wandte sich mir zu, einen Kaugummi auf halbem Weg zwischen Hand und Mund.
»Soll heißen?«
»Warum haben sie zugelassen, dass ihr Foto an die Tafel gepinnt wurde?«
»Die Trottel wussten es wahrscheinlich gar nicht.«
Vielleicht.
Dreißig Minuten nachdem wir South End verlassen hatten, bog Slidell nach einem Schild, das Les Fleurs ankündigte, links ab. Ein bisschen prätentiös, ich weiß, aber die Leute in Charlotte taufen ihre Viertel gerne.
Die Häuser in Les Fleurs waren vorwiegend Ranches und Häuser in Terrassenbauweise aus den Sechzigern und Siebzigern. Sie waren eher klein, hatten separate Garagen und Verkleidungen, die mit Pastellvariationen spielten.
Die Straßen waren kurvig, von Bäumen gesäumt und trugen Blumennamen. Während Slidell von der Marigold in die Poppy und schließlich zu Rocketts Adresse am Azalea Court fuhr, fiel mir auf, dass alle Hinterhöfe eingezäunt, alle vorderen Rasen gemäht und eingefasst waren. Hier und dort lag ein Rad oder ein Roller auf einem Bürgersteig oder lehnte an einer Treppe, Veranda oder einem Fundament.
Es war ein Viertel, das einen an Kinder, Hunde und Rentner denken ließ. Wie nannte Harry diese Häuser? Häuser zur vorletzten Ruhe.
Slidell parkte am Bordstein einer Sackgasse, die von zwei Magnolien und einer hoch aufragenden Kiefer beschattet war. Hinter jeder Magnolie versteckte sich ein Ranchhaus, eins lachsfarben, das andere grün. Unter und hinter der Kiefer stand ein braunes einstöckiges Gebäude mit Spitzgiebel, das man in New England Salzfass nennen würde.
»Kommt Ihnen hier irgendwas komisch vor?« Slidell war um den Platz herumgefahren, um mit der Nase Richtung Ausfahrt zu parken, und blickte jetzt die Straße entlang, die wir eben heruntergekommen waren. Sein Kiefer machte Überstunden. Und der Kaugummi feuchte Platzgeräusche.
Ich folgte Slidells Blick. Und sah nichts als geschlossene Türen, leere Fenster und viele Azaleensträucher, von denen keiner blühte.
»Sieht ziemlich ruhig aus.«
»Verdammt ruhig.«
»Wir sind in einer Sackgasse am Stadtrand an einem verregneten Donnerstagnachmittag.«
»Eine Gasse im Sack.« Slidell zupfte an seinem Gürtel. »Der Kerl lebt auf einem verdammten
Weitere Kostenlose Bücher