Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Totengleich

Totengleich

Titel: Totengleich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tana French
Vom Netzwerk:
durch die Tür nach draußen gingen, drehte ich im letzten Moment den Kopf und warf über die Schulter einen Blick auf die Tote. Frank hatte seine Taschenlampe ausgemacht, doch als er die Brombeerzweige beiseiteschob, strömte die Frühlingssonne herein, und für den Bruchteil einer Sekunde, ehe mein Schatten das Licht wieder verdunkelte, leuchtete die junge Frau im Dunkeln auf, das Kinn zur Seite geneigt und eine Faust geballt und der Hals wild gebogen, grell und blutig und unerbittlich wie mein eigener, gequälter Geist.
    Das war das letzte Mal, dass ich sie sah. Damals dachte ich nicht daran – ich hatte weiß Gott anderes im Kopf –, und heute kommt es mir unmöglich vor, aber diese zehn Minuten, scharfkantig wie eine Bügelfalte mitten durch mein Leben: Nur dieses eine Mal waren wir je zusammen.

    Die uniformierten Kollegen flankierten noch immer schlaff die Tür, wie zwei Sitzsäcke. Byrne starrte blicklos in einer Art katatonischem Zustand vor sich hin, Doherty inspizierte einen Finger so, als hätte er in der Nase gebohrt.
    »Nun denn«, sagte Byrne, sobald er aus seiner Trance erwachte und merkte, dass wir wieder da waren. »Wir sind dann mal weg. Sie gehört Ihnen.«
    Manchmal sind die Dorfpolizisten Gold wert – wissen Details über jeden im Umkreis von einigen Meilen, präsentieren dir eine Liste mit einem halben Dutzend möglicher Motive, servieren dir einen Hauptverdächtigen auf dem Silbertablett. Andere Male wollen sie bloß möglichst wenig Arbeit haben und schnell wieder Karten spielen gehen. Diesmal war offensichtlich Letzteres der Fall.
    »Wir brauchen Sie noch eine Weile hier«, sagte Sam, was ich als gutes Zeichen auffasste – es machte mich langsam nervös, in welchem Maße Frank den Fall an sich gerissen hatte. »Könnte sein, dass die Spurensicherung Ihre Hilfe bei der Suche braucht, und ich möchte von Ihnen noch möglichst viele Informationen über die Gegend hier bekommen.«
    »Von hier ist die nicht, das ist sicher«, sagte Doherty, der sich den Finger an der Hosennaht abwischte. Er starrte mich wieder an. »Die da oben in Whitethorn House, das sind Zugezogene. Die haben mit Glenskehy nichts zu tun.«
    »Glückspilze«, murmelte Byrne in seinen Bart.
    »Sie hat aber hier gewohnt«, sagte Sam geduldig, »und sie ist hier gestorben. Das heißt, wir müssen die ganze Gegend durchkämmen. Wäre gut, wenn Sie uns dabei behilflich wären, weil Sie sich ja offenbar gut auskennen.«
    Byrnes Kopf sank noch tiefer zwischen die Schultern. »Die Leute hier sind Irre«, sagte er mürrisch. »Alle, wie sie da sind. Mehr braucht man nicht zu wissen.«
    »Einige meiner besten Freunde sind Irre«, sagte Frank fröhlich. »Betrachten Sie es als Herausforderung.« Er winkte zum Abschied und ging durch die Wiese davon, und seine Füße rauschten durchs nasse Gras.
    Sam und ich folgten ihm. Auch ohne hinzusehen, konnte ich die kleine Sorgenfalte zwischen Sams Augenbrauen fühlen, aber ich brachte nicht die Energie auf, ihn zu beruhigen. Jetzt, wo ich aus dem Cottage raus war, spürte ich nichts als Empörung, schlicht und ergreifend. Mein Gesicht und mein alter Name: Es war, als würdest du eines Abends nach Hause kommen und eine andere Frau in deiner Küche antreffen, wo sie das Essen macht, deine bequemste Jeans trägt und ein Lied von deiner Lieblings-CD trällert. Ich war so wütend, dass ich kaum Luft bekam. Ich dachte an dieses Foto, und ich verspürte eine unbändige Lust, ihr mein Lächeln aus dem Gesicht zu schlagen.
    »Na«, sagte ich, als wir Frank oben auf dem Feld einholten, »das hat Spaß gemacht. Kann ich jetzt zur Arbeit?«
    »Beim DHG ist es anscheinend unterhaltsamer, als ich dachte«, sagte Frank und tat beeindruckt, »wenn du es so eilig hast. Sonnenbrille.«
    Ich ließ die Brille, wo sie war. »Sofern die Tote kein Opfer häuslicher Gewalt ist, und ich sehe nichts, was darauf hindeutet, geht sie mich einen feuchten Kehricht an. Also, warum genau hast du mich extra herkommen lassen?«
    »He, du hast mir gefehlt, Kleines. Da war mir jeder Vorwand recht.« Frank sah mich grinsend an, ich reagierte mit einem angewiderten Blick. »Denkst du etwa im Ernst, sie geht dich einen feuchten Kehricht an? Mal sehen, ob du das auch noch sagst, wenn wir ihr Foto veröffentlichen, um sie zu identifizieren, und alle, die je mit dir zu tun hatten, einen Heidenschreck kriegen und anrufen, um uns zu sagen, wie du heißt.«
    Die ganze Wut in mir löste sich in Luft auf, und zurück blieb nur ein

Weitere Kostenlose Bücher