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Totengleich

Totengleich

Titel: Totengleich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tana French
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weiß, dass du dich gut mit ihnen verstehst, Kleines. Und das ist in Ordnung. Mein Geschmack sind sie nicht gerade, aber ich hab nichts dagegen, dass du das anders siehst, wenn es dir die Arbeit leichter macht. Aber sie sind nicht deine Freunde. Ihre Probleme sind nicht deine Probleme. Sie sind Gelegenheiten, die du nutzen sollst.«
    »Ich weiß«, sagte ich. »Ich weiß ja. Aber es ist trotzdem schwer, es mitanzusehen.«
    »Ein bisschen Mitgefühl kann nicht schaden«, sagte Frank munter und biss erneut kräftig in seinen Gesundheitssnack. »Solange es nicht überhandnimmt. Aber ich hab was, um dich von ihrem Elend abzulenken. Dieser Rafe ist nicht der Einzige, der vermisst wird.«
    »Wovon redest du?«
    Er spuckte Kerne aus. »Ich wollte Naylor aus sicherer Entfernung im Auge behalten – seinen Tagesablauf beobachten, was für Kontakte er pflegt und so weiter. Damit du ein bisschen mehr Infos kriegst, mit denen du arbeiten kannst. Aber daraus wird nichts. Er ist heute nicht zur Arbeit erschienen. Seine Eltern haben ihn seit gestern Abend nicht gesehen, und sie sagen, das wäre ganz untypisch für ihn. Der Vater sitzt im Rollstuhl, und John würde seiner Mutter niemals zumuten, allein so schwer zu heben. Dein Sammy und ein paar Sonderfahnder observieren abwechselnd das Haus, und wir haben Byrne und Doherty gesagt, sie sollen die Augen offen halten. Auch wenn das wohl nicht viel bringt.«
    »Er kann nicht weit sein«, sagte ich. »Der Mann würde sich mit Händen und Füßen dagegen wehren, Glenskehy zu verlassen. Der taucht wieder auf.«
    »Ja, hab ich mir auch schon gedacht. In Bezug auf den Mord liefert uns das keine Anhaltspunkte. Es ist ein Ammenmärchen, dass nur schuldige Täter untertauchen. Aber eines weiß ich genau: Egal, was der Grund für Naylors Flucht ist, Angst können wir ausschließen. Hat er auf dich einen verängstigten Eindruck gemacht?«
    »Nein«, sagte ich. »Keine Spur. Er sah wütend aus.«
    »Fand ich auch. Er war nicht gerade erfreut über die Vernehmung. Ich hab ihn hinterher weggehen sehen. Zwei Schritte von der Tür entfernt hat er sich umgedreht und sie angespuckt. Der Bursche ist stinksauer, Cassie, und wir wissen ja bereits, dass er zum Jähzorn neigt – und wie du schon gesagt hast, wahrscheinlich ist er noch in der Nähe. Ich weiß nicht, ob er verschwunden ist, weil er nicht wollte, dass wir ihn überwachen, oder weil er irgendwas vorhat oder so. Aber pass auf dich auf.«
    Und das tat ich. Auf dem ganzen Nachhauseweg hielt ich mich in der Mitte des Weges, meinen Revolver gespannt und entsichert in der Hand. Ich steckte ihn erst wieder in den Hüfthalter, als das Gartentor hinter mir zufiel und ich sicher im Garten war, am Rand der hellen Lichtstreifen, die aus den Fenstern fielen.
    Ich hatte Sam nicht angerufen. Diesmal nicht, weil ich es vergessen hatte, sondern weil ich nicht wusste, ob er rangehen würde oder was wir uns zu sagen hätten, falls er es tat.

17
    Rafe tauchte am nächsten Vormittag in der Bibliothek auf, so gegen elf. Sein Mantel war falsch zugeknöpft, und sein Rucksack baumelte achtlos an einer Hand. Er stank nach Zigarrenrauch und schalem Guinness, und er war noch immer ziemlich unsicher auf den Beinen. »Na hallo«, sagte er, schwankte ein bisschen und starrte uns vier an. »Einen wunderschönen guten Morgen.«
    »Wo bist du gewesen?«, zischte Daniel. In seiner Stimme schwang angespannter Zorn mit, mühsam unterdrückt. Er war viel besorgter um Rafe gewesen, als er sich hatte anmerken lassen.
    »Hier und da«, erklärte Rafe. »Unterwegs. Wie geht’s denn so?«
    »Wir dachten, dir ist was passiert.« Justins Flüstern schlug um in etwas zu Lautes und zu Schneidendes. »Wieso hast du nicht angerufen? Oder wenigstens eine SMS geschickt?«
    Rafe wandte sich um und sah ihn an. »Ich war anderweitig beschäftigt«, sagte er nach kurzer Überlegung. »Und ich hatte keinen Bock drauf.« Einer von der Gorillatruppe, diese älteren Studenten, die sich unweigerlich selbst zur Bürgerwehr gegen Bibliotheksstörer erklären, spähte über seinen Stapel Philosophiebücher und machte »Schsch!«.
    »Dein Timing ist beschissen«, sagte Abby kalt. »Das war ein schlechter Augenblick, um abzuhauen und Frauen anzubaggern, und das hättest selbst du dir denken können.«
    Rafe wippte auf den Fußballen nach hinten und warf ihr einen bitterbösen Blick zu. »Leck mich«, sagte er laut und herablassend. »Ich entscheide, was ich tue und wann ich es tue.«
    »Hör auf, so mit

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