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Totengleich

Totengleich

Titel: Totengleich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tana French
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Zigarettenrauch rücksichtsvoll von uns Übrigen wegzupusten, »ich kann mir nicht vorstellen, dass es irgendwas nützen würde, wenn ich auch noch hysterisch werde.«
    »Ich bin nicht hysterisch. So reagieren normale Menschen, wenn einer ihrer Freunde verschwindet.«
    »Justin«, sagte Abby sanft, »alles wird gut«, aber Justin hörte nicht hin.
    »Bloß weil du ein Scheißroboter bist … Verdammt, Daniel, einmal, bloß ein einziges Mal möchte ich erleben, dass du dich so verhältst, als würden wir anderen dir wirklich was bedeuten, als würde dir überhaupt irgendwas –«
    »Ich denke«, unterbrach Daniel ihn kühl, »du hast allen Grund zu wissen, dass ihr vier mir sehr viel bedeutet.«
    »Hab ich nicht. Welchen Grund denn? Ich hab allen Grund zu der Annahme, dass wir dich einen Scheißdreck interessieren –«
    Abby machte mit geöffneter Hand eine Geste, die den Raum um uns herum, die Decke, den Garten draußen umschloss. Irgendwas an der Bewegung, an der Art, wie ihre Hand danach in den Schoß sank, wirkte müde, fast resigniert.
    »Stimmt«, sagte Justin und sank auf seinem Stuhl in sich zusammen. Das Licht beleuchtete ihn in einem unbarmherzigen Winkel, höhlte seine Wangen aus und zog eine tiefe vertikale Furche zwischen seinen Brauen, und für eine Sekunde sah ich, wie er in fünfzig Jahren aussehen würde, als hätte sich ein Bild aus der Zukunft über sein Gesicht gelegt. »Klar, natürlich. Das Haus. Und seht euch an, was es uns gebracht hat.«
    Eine kurze, schneidende Stille trat ein. Dann sagte Daniel mit einer Stimme, in der eine bedrohliche Tiefe mitschwang, eine Emotion, die ich noch nie darin gehört hatte: »Ich behaupte keineswegs, unfehlbar zu sein. Ich behaupte nur, dass ich versuche, so gut ich kann, das zu tun, was für uns fünf am besten ist. Wenn du der Meinung bist, dass ich darin versage, steht es dir frei, deine eigenen Entscheidungen zu treffen. Wenn du denkst, wir sollten nicht zusammenwohnen, dann zieh aus. Wenn du denkst, wir sollten Rafe als vermisst melden, dann greif zum Telefon.«
    Nach einem Moment zuckte Justin unglücklich mit den Schultern und fing wieder an, in seinem Essen rumzustochern. Daniel rauchte, mit leerem Blick. Abby aß ihren Apfel. Ich zermatschte meinen Pfirsich zu Püree. Lange Zeit sagte keiner ein Wort.

    »Wie ich höre, vermisst ihr den Frauenhelden«, sagte Frank, als ich ihn von meinem Baum aus anrief. Anscheinend hatten wir ihn dazu inspiriert, zur Abwechslung mal etwas Gesundes zu essen: Er kaute irgendwas mit Kernen – ich konnte hören, wie er sie höchst attraktiv in die Hand spuckte oder sonst wohin. »Falls er tot aufgefunden wird, kaufen mir vielleicht endlich alle meinen geheimnisvollen Fremden ab. Ich hätte Geld darauf setzen sollen.«
    »Benimm dich nicht wie ein Kotzbrocken, Frankie«, sagte ich.
    Frank lachte. »Du machst dir doch nicht etwa Sorgen um ihn, oder? Ernsthaft?«
    Ich zuckte die Achseln. »Ich wüsste einfach nur gern, wo er ist.«
    »Entspann dich, Kleines. Heute Abend wollte eine zauberhafte junge Lady aus meinem Bekanntenkreis herausfinden, wo ihr Freund Martin ist, und hat aus Versehen die Nummer von unserem guten Rafe gewählt. Leider hat er nicht erwähnt, wo er sich aufhält, ehe das kleine Missverständnis ausgeräumt wurde, aber das Hintergrundgeräusch war aufschlussreich genug. Abby hat genau richtiggelegen: Euer Knabe ist in irgendeinem Pub, lässt sich volllaufen und baggert Frauen an. Ihr kriegt ihn gesund und munter wieder zurück, bis auf einen erstklassigen Kater.«
    Also hatte auch Frank sich Sorgen gemacht. So sehr, dass er sich eine Sonderfahnderin mit sexy Stimme geschnappt hatte, damit sie bei Rafe anrief. Vielleicht war Naylor für Frank doch nicht bloß eine Gelegenheit gewesen, sich mit Sam anzulegen. Vielleicht nahm er ihn als Verdächtigen ernster, als ich gedacht hatte. Ich zog die Füße höher zwischen die Äste. »Toll«, sagte ich. »Gut zu wissen.«
    »Und wieso klingst du dann, als wäre dein Hund gerade gestorben?«
    »Es geht ihnen nicht gut«, sagte ich und war froh, dass Frank mein Gesicht nicht sehen konnte. Ich dachte, ich würde gleich vor purer Erschöpfung aus dem Baum kippen. Ich packte einen Ast und hielt mich daran fest. »Aus irgendeinem Grund – vielleicht weil sie den Überfall auf mich nicht verkraften oder weil sie uns irgendwas verschweigen und damit nicht klarkommen –, jedenfalls brechen sie allmählich zusammen.«
    Nach einem Moment sagte Frank ganz sanft: »Ich

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