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Totengleich

Totengleich

Titel: Totengleich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tana French
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behutsam den Verband, zog das Mikro vom BH und ließ alles auf dem Sessel liegen, wo es ein Weilchen der Musik lauschen konnte.
    Daniel folgte mir durch die Küche nach draußen in den Garten. Der Gedanke, den offenen Rasen zu überqueren, behagte mir zwar nicht – Visuelle Überwachung ist nicht möglich, hatte Frank gesagt, aber das musste bei ihm nichts heißen –, aber wir hatten keine andere Wahl. Ich ging ganz außen am Rand entlang, bis wir zwischen den Bäumen waren. Sobald wir außer Sicht waren und ich mich wieder entspannte, fiel mir meine offene Bluse ein, und ich knöpfte sie zu. Falls Frank das Haus tatsächlich beobachten ließ, hätte er jetzt etwas, worüber er nachgrübeln könnte.
    Die Nische war heller, als ich erwartet hatte. Das Licht fiel in langen goldenen Streifen schräg über das Gras, schlüpfte zwischen die Kriechpflanzen und malte glänzende Flecken auf die Steinplatten. Die Bank war sogar durch meine Jeans hindurch kalt. Der Efeu schwang wieder zurück und verbarg uns.
    »Okay«, sagte ich. »Wir können reden, aber möglichst leise, für alle Fälle.«
    Daniel nickte. Er fegte Erdkrümel von dem Platz neben mir und setzte sich. »Dann ist Lexie also tot«, sagte er.
    »Ja«, sagte ich. »Es tut mir leid.« Das hörte sich lächerlich an, wahnsinnig unangemessen auf etwa einer Million Ebenen.
    »Wann?«
    »In der Nacht, als sie niedergestochen wurde. Sie hat aber wohl nicht viel leiden müssen, falls das ein Trost ist.«
    Er erwiderte nichts. Er faltete die Hände im Schoß und blickte hinaus durch den Efeu. Zu unseren Füßen murmelte das Wasserrinnsal.
    »Cassandra Maddox«, sagte Daniel schließlich, als probiere er aus, wie das klang. »Ich hab mich schon eine ganze Weile gefragt, wie wohl dein richtiger Name ist. Er passt zu dir.«
    »Ich werde Cassie genannt«, sagte ich.
    Er sagte nichts dazu. »Wieso hast du das Mikrofon abgenommen?«
    Bei jemand anderem hätte ich die Frage vielleicht ausweichend pariert – Was glaubst du wohl, warum? –, aber nicht bei Daniel. »Ich möchte wissen, was mit Lexie passiert ist. Mir ist es egal, ob jemand mithört oder nicht. Und ich dachte, du würdest es mir vielleicht eher erzählen, wenn ich dir einen Grund gebe, mir zu vertrauen.«
    Ob aus Höflichkeit oder Gleichgültigkeit, er wies nicht darauf hin, wie paradox das war. »Und du glaubst, ich weiß, wie sie gestorben ist?«, fragte er.
    »Ja«, sagte ich. »Das glaube ich.«
    Daniel überlegte. »Müsstest du in dem Fall nicht vor mir Angst haben?«
    »Vielleicht. Aber ich hab keine.«
    Er blickte mich einen langen Moment forschend an. »Du bist Lexie sehr ähnlich, weißt du«, sagte er. »Nicht nur äußerlich, sondern auch vom Temperament her. Zuerst hab ich mich gefragt, ob ich es einfach glauben wollte, als Entschuldigung dafür, dass ich mich so lange hab täuschen lassen, aber es stimmt. Lexie war furchtlos. Sie war wie eine Eiskunstläuferin, die mühelos an der Grenze ihres eigenen Tempos balanciert und spaßeshalber übermütige, komplizierte Sprünge und Drehungen einbaut. Ich hab sie immer darum beneidet.« Seine Augen lagen im Schatten, und ich konnte seinen Gesichtsausdruck nicht deuten. »Hast du es auch zum Spaß gemacht? Wenn ich fragen darf.«
    »Nein«, sagte ich. »Anfangs wollte ich es auf keinen Fall machen. Es war Detective Mackeys Idee. Er meinte, es wäre unerlässlich für die Ermittlung.«
    Daniel nickte, nicht überrascht. »Er hatte uns von Anfang an in Verdacht«, sagte er, und ich begriff, dass er recht hatte; natürlich hatte er recht. Franks ganzes Gerede von dem geheimnisvollen Unbekannten, der Lexie über den halben Erdball verfolgte, war reine Vernebelungstaktik: Sam hätte einen Koller gekriegt, wenn er gedacht hätte, ich würde mit einem Mörder unter einem Dach wohnen. Franks berühmte Intuition hatte sich schon lange vor unserer Besprechung im Büro des Morddezernats eingeschaltet. Er hatte die ganze Zeit gewusst, dass die Antwort in diesem Haus zu suchen war.
    »Interessanter Mann, dieser Detective Mackey«, sagte Daniel. »Er ist wie einer von den charmanten Mördern im Renaissance-Drama, die immer die besten Monologe kriegen: Bosola oder De Flores. Ein Jammer, dass du mir nichts verraten darfst. Ich würde zu gern wissen, was er sich alles gedacht hat.«
    »Ich auch«, sagte ich. »Glaub mir.«
    Daniel holte sein Zigarettenetui heraus, öffnete es und bot mir höflich eine an. Sein Gesicht, über das Feuerzeug gebeugt, als ich eine Hand

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