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Totengleich

Totengleich

Titel: Totengleich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tana French
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Kohl. Zum Glück mochten wir anderen auch keinen Kohl, aber bei den Zwiebeln mussten wir uns auf einen Kompromiss einigen: einmal die Woche. Sie hat nach wie vor gemeckert und sie rausgepickt und so – vor allem, um Rafe und Justin zu ärgern, glaub ich. Als du sie anstandslos gegessen hast und auch noch Nachschlag wolltest, da wusste ich, dass da was nicht stimmte. Ich wusste nicht genau, was – du hast es sehr gut überspielt –, aber ich wurde den Gedanken nicht mehr los. Als einzige Erklärung fiel mir nur ein, dass du, so unglaublich es auch schien, nicht Lexie warst.«
    »Und dann hast du mir eine Falle gestellt«, sagte ich. »Die Sache mit dem Brogan’s.«
    »Na ja, Falle würde ich es nicht gerade nennen«, sagte Daniel mit einer leichten Schärfe in der Stimme. »Eher einen Test. Es war ein spontaner Einfall. Lexie hatte keine Vorliebe oder Abneigung, was das Brogan’s betraf – ich bin nicht mal sicher, ob sie je da war –, was du, wenn du nicht die echte Lexie warst, nicht wissen konntest. Du könntest ihre Vorlieben und Abneigungen herausgefunden haben, aber wohl kaum Dinge, die ihr gleichgültig waren. Die Tatsache, dass du da richtig reagiert hast, und die Elvis-Bemerkung haben mich beruhigt. Bis letzte Nacht. Bis zu dem Kuss.«
    Mir wurde eiskalt, bis mir einfiel, dass ich das Mikro gar nicht trug. »Hätte Lexie das nicht getan?«, fragte ich gelassen und bückte mich, um meine Zigarette auf den Platten auszudrücken.
    Daniel lächelte mich an, dieses langsame, sanfte Lächeln, das ihn plötzlich attraktiv machte. »Oh doch«, sagte er. »Der Kuss passte absolut zu ihr – und war sehr schön, wenn ich das sagen darf.« Ich verzog keine Miene. »Nein, was nicht passte, war deine Reaktion darauf. Einen winzigen Augenblick lang hast du perplex gewirkt, völlig geschockt über das, was du da getan hattest. Dann hast du dich wieder gefangen und irgendeine flapsige Bemerkung gemacht und einen Vorwand gesucht, um aus der Situation rauszukommen – aber Lexie hätte sich durch diesen Kuss niemals aus der Fassung bringen lassen, nicht eine Sekunde. Und sie hätte ganz bestimmt keinen Rückzieher gemacht. Sie hätte … « Er blies nachdenkliche Rauchringe hinauf in den Efeu. »Sie hätte«, sagte er, »triumphiert.«
    »Wieso?«, fragte ich. »Hatte sie es darauf angelegt, dass so was passiert?« In Gedanken ging ich die Videoclips im Schnelllauf durch. Auf einigen hatte sie mit Rafe und Justin geflirtet, aber nie mit Daniel, nicht mal ansatzweise, aber das könnte auch ein Bluff gewesen sein, um die anderen zu täuschen –
    »Das«, sagte Daniel, »hat dich verraten.«
    Ich starrte ihn an.
    Er trat die Zigarette aus. »Lexie war genauso wenig imstande, über die Vergangenheit nachzudenken«, sagte er, »wie sie imstande war, mehr als einen Schritt weit in die Zukunft zu denken. Vielleicht war das eines der Dinge, die du übersehen hast. Nicht deine Schuld, eine derartige Unkompliziertheit ist kaum vorstellbar und auch schwer zu beschreiben. Es war so irritierend wie eine Missbildung. Ich bezweifele ernsthaft, dass sie in der Lage gewesen wäre, eine Verführung zu planen, aber wenn erst mal irgendwas passiert war, hätte sie keinen Grund gesehen, deswegen schockiert zu sein, geschweige denn, an der Stelle aufzuhören. Du dagegen hast eindeutig versucht, die Folgen abzuschätzen, die das haben könnte. Ich vermute, du hast einen Freund oder bist verheiratet, in deinem eigenen Leben.«
    Ich sagte nichts. »Also«, sagte Daniel, »hab ich heute Nachmittag im Polizeipräsidium angerufen, sobald die anderen weg waren, und gefragt, wie ich Detective Sam O’Neill erreichen könnte. Die Frau in der Zentrale musste erst im Telefonverzeichnis nachsehen und gab mir dann eine Durchwahl. Sie sagte: ›Das ist die Nummer vom Morddezernat.‹«
    Er seufzte, ein kleiner, müder, endgültiger Laut. »Mord«, sagte er leise. »Tja, da wusste ich Bescheid.«
    »Es tut mir leid«, sagte ich wieder. Den ganzen Tag, während wir Kaffee tranken und uns gegenseitig auf die Nerven gingen und über unseren Kater jammerten, während er die anderen allein ins Kino gehen ließ und in Lexies kleinem, dämmrigen Zimmer auf mich wartete, hatte er das allein mit sich ausgemacht.
    Daniel nickte. »Ja«, sagte er. »Das seh ich.«
    Wir schwiegen lange. Schließlich sagte ich: »Du weißt, dass ich dich fragen muss, was passiert ist.«
    Daniel nahm die Brille ab und putzte sie mit seinem Taschentuch. Ohne sie sahen seine Augen

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