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Totengleich

Totengleich

Titel: Totengleich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tana French
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Präsident?«
    »Hör auf zu jammern«, sagte er und umarmte mich ungelenk. »Du hast diese ganze, wunderhübsche Wohnung zum Spielen. Du könntest ein Scharfschütze sein, der in einem Versteck auf der Lauer liegt, tagelang keinen Muskel bewegen darf und in eine Flasche pinkeln muss. Und ich hab dir Verpflegung mitgebracht.«
    Er reichte mir eine Einkaufstüte. Lauter Grundnahrungsmittel: Schokokekse, Zigaretten, Kaffeepulver und zwei Flaschen Wein. »Du bist ein Juwel, Frank«, sagte ich. »Du kennst mich zu gut.« Das stimmte auch; nach vier Jahren wusste er immer noch, dass ich Lucky Strike Lights rauchte. Das Gefühl war nicht gerade beruhigend, aber das war auch nicht seine Absicht gewesen.
    Frank hob unverbindlich eine Augenbraue. »Hast du einen Korkenzieher?«
    Meine Antennen fuhren aus, aber ich kann einiges an Alkohol vertragen, und Frank wusste ja wohl, dass ich nicht so blöd war, mich mit ihm zusammen zu betrinken. Ich warf ihm einen Korkenzieher zu und kramte nach Gläsern.
    »Nette Bude hast du hier«, sagte er, während er an der ersten Flasche herumhantierte. »Ich hatte schon befürchtet, du wohnst jetzt in so einer Schickimicki-Hochglanzwohnung.«
    »Mit meinem Polizistengehalt?« Die Immobilienpreise in Dublin sind fast so wie in New York, nur dass du in New York für dein Geld obendrein New York kriegst. Meine Wohnung ist ein mittelgroßer Raum im obersten Stock eines großen, umgebauten Jahrhundertwendehauses. Sie hat noch den originalen schmiedeeisernen Kamin, genügend Platz für einen Futon und ein Sofa und alle meine Bücher, einen Fußboden, der in einer Ecke so schief ist, dass einem schwindelig wird, eine Eulenfamilie unter dem Dach und Blick auf den Strand von Sandymount. Mir gefällt sie.
    »Mit den Gehältern von zwei Polizisten. Bist du nicht mit diesem Sammy-Boy zusammen?«
    Ich setzte mich auf den Futon und hielt ihm die Gläser zum Einschenken hin. »Erst seit ein paar Monaten. Das In-Sünde-Leben war bis jetzt noch kein Thema.«
    »Ich hätte gedacht, länger. Er kam mir am Donnerstag ganz schön beschützerisch vor. Ist es wahre Liebe?«
    »Das geht dich nichts an«, sagte ich und stieß mit ihm an. »Zum Wohl. Also: Was machst du hier?«
    Frank blickte gekränkt. »Ich hab gedacht, du könntest Gesellschaft gebrauchen. Ich hatte plötzlich ein schlechtes Gewissen, weil ich dich hier eingesperrt habe, so ganz allein … « Ich warf ihm einen bösen Blick zu. Er merkte, dass das bei mir nicht zog, und grinste. »Du bist cleverer, als dir guttut, weißt du das? Ich wollte nicht, dass du Hunger kriegst oder dich langweilst oder nach Zigaretten gierst und dann die Wohnung verlässt, um einkaufen zu gehen. Die Chance, dass dich jemand sieht, der unser Mädel kennt, liegt zwar bei eins zu tausend, aber warum das Risiko eingehen?«
    Das klang durchaus plausibel, aber Frank hatte schon immer die Art, in alle Richtungen gleichzeitig Köder auszuwerfen, um dich von dem Haken in der Mitte abzulenken. »Ich hab noch immer nicht vor, es zu tun, Frankie«, sagte ich.
    »In Ordnung«, sagte Frank ungerührt. Er trank einen kräftigen Schluck Wein und machte es sich auf dem Sofa bequem. »Ich hatte übrigens eine Unterhaltung mit den hohen Tieren, und der Fall ist jetzt offiziell eine gemeinschaftliche Ermittlung: Morddezernat und Undercover. Aber das hat dir dein Freund ja wahrscheinlich schon erzählt.«
    Hatte er nicht. Sam hatte die letzten zwei Nächte in seiner eigenen Wohnung geschlafen (»Ich muss um sechs aufstehen, ich würde dich nur wach machen. Es sei denn, du hättest gern, dass ich bei dir bin. Kommst du allein klar?«). Ich hatte ihn seit unserem Treffen am Tatort nicht mehr gesehen. »Ich bin sicher, alle sind begeistert«, sagte ich. Gemeinschaftliche Ermittlungen sind ein einziges Kreuz. Sie bleiben unvermeidlich in endlosen, sinnlosen Testosteronrangeleien stecken.
    Frank zuckte die Achseln. »Sie werden drüber wegkommen. Willst du hören, was wir bisher über die Tote wissen?«
    Natürlich wollte ich. Ich wollte es so sehr, wie ein Alkoholiker Schnaps will: dringend genug, um das knallharte Wissen zu verdrängen, dass das eine wahrhaft saumäßige Idee war. »Würde sich anbieten«, sagte ich. »Wo du schon mal da bist.«
    »Wunderbar«, sagte Frank, während er in der Einkaufstüte nach den Zigaretten stöberte. »Also: Sie taucht erstmals im Februar 2002 auf, als sie sich eine Geburtsurkunde auf den Namen Alexandra Madison verschafft und damit ein Bankkonto eröffnet.

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