Totengleich
Justin die Maske in die Hände, ging zurück zur Schleifmaschine und schaltete sie wieder ein.
Die Gasmaske, über die Rafe und ich uns schier ausgeschüttet hatten vor Lachen, an dem Abend auf der Terrasse. Daniel kann sie in der Uni tragen, Abby soll sie hübsch besticken … Justin legte sie vorsichtig in eine freie Ecke, wo sie den Rest des Tages blieb und uns alle mit großen, leeren, trostlosen Augen anstarrte.
»Und was ist mit deinem Mikro los?«, fragte Frank in der Nacht. »Nur rein interessehalber.«
»Ach verdammt«, sagte ich. »Sag nicht, es ist schon wieder passiert? Ich dachte, ich hätte es repariert.«
Eine skeptische Pause. »Was soll passiert sein?«
»Als ich heute Morgen den Verband gewechselt hab, war der Stecker draußen. Ich glaub, ich hab gestern Abend nach dem Duschen den Verband falsch angelegt, und als ich mich bewegt hab, ist der Stecker rausgerutscht. Wie viel hast du verpasst? Funktioniert es jetzt?« Ich schob eine Hand in mein Top und tippte auf das Mikro. »Hörst du das?«
»Laut und deutlich«, sagte Frank trocken. »Die Verbindung war im Laufe der Nacht ein paarmal kurz unterbrochen, aber ich glaub nicht, dass ich was Wichtiges verpasst hab – ich hoffe jedenfalls nicht. Allerdings fehlen mir ein oder zwei Minuten von deinem Mitternachtsplausch mit Daniel.«
Ich legte ein Grinsen in meine Stimme. »Ach das? Den hat meine Zicken-Nummer nervös gemacht. Er wollte wissen, was los ist, und ich hab gesagt, er soll mich in Frieden lassen. Dann haben die anderen uns gehört und sich eingemischt, und schließlich hat er Ruhe gegeben und ist ins Bett. Ich hab doch gesagt, dass das funktioniert, Frank. Die gehen allmählich die Wände hoch.«
»Okay«, sagte Frank nach einem Augenblick. »Dann hab ich anscheinend nichts Lehrreiches verpasst. Und solange ich an diesem Fall arbeite, kann ich wohl kaum sagen, dass ich nicht an Zufälle glaube. Aber wenn der Stecker noch ein einziges Mal rausrutscht, auch nur für eine Sekunde, komm ich und zerr dich am Kragen da raus. Also besorg dir Sekundenkleber.« Und er legte auf.
Auf dem Weg nach Hause überlegte ich, was ich als Nächstes tun würde, wenn ich an Daniels Stelle wäre, aber wie sich herausstellte, hätte ich besser über jemand anderen nachdenken sollen. Noch ehe ich das Haus betrat, wusste ich, dass etwas passiert war. Sie waren alle in der Küche – die Jungs waren offenbar beim Spülen unterbrochen worden, Rafe hielt einen Pfannenwender wie eine Waffe in der Hand, und Justin tropfte den Boden mit Spülwasser voll –, und sie redeten alle durcheinander.
»– machen nur ihre Arbeit«, sagte Daniel gerade, als ich hereinkam. »Wenn wir sie nicht –«
»Aber wieso ?«, fiel ihm Justin jammernd ins Wort. »Wieso wollen die –«
Dann sahen sie mich. Eine Sekunde lang herrschte Totenstille, und alle vier starrten mich an, mitten im Wort verstummt.
»Was ist los?«, fragte ich.
»Die Polizei will, dass wir noch mal hinkommen«, sagte Rafe. Er warf den Pfannenwender mit einem Scheppern in die Spüle. Wasser spritzte auf Daniels Hemd, aber er schien es nicht zu bemerken.
»Ich steh das nicht noch mal durch«, sagte Justin und sank rückwärts gegen die Arbeitsplatte. »Das schaff ich nicht.«
»Hinkommen? Wozu denn?«
»Mackey hat Daniel angerufen«, sagte Abby. »Sie wollen noch mal mit uns reden, morgen früh. Mit uns allen.«
»Wieso?« Frank, dieser Mistkerl. Er hatte schon bei unserem Telefonat genau gewusst, dass er diesen Coup landen würde, und es mit keinem Wort angedeutet.
Rafe zuckte die Achseln. »Hat er nicht verraten. Nur dass er, Zitat, mit uns plaudern möchte. Zitat Ende.«
»Aber warum bei denen?«, fragte Justin verzweifelt. Er starrte auf Daniels Handy auf dem Küchentisch, als könnte es ihn anspringen. »Bis jetzt sind sie immer zu uns gekommen. Wieso müssen wir jetzt –«
»Wo sollen wir denn hinkommen?«, fragte ich.
»Dubliner Burg«, sagte Abby. »Abteilung oder Dezernat für Kapitaldelikte oder so ähnlich.«
Das Dezernat für Kapitaldelikte und Organisierte Kriminalität, kurz DKO, ist eine Etage unter dem Morddezernat untergebracht. Frank musste uns lediglich noch eine Treppe höher bugsieren. Das DKO untersucht keine alltägliche Messerstecherei, es sei denn, ein Gangsterboss ist daran beteiligt, aber das wussten die anderen nicht, und es klang eindrucksvoll.
»Hast du davon gewusst?«, wollte Daniel von mir wissen. Er musterte mich mit einem starren eiskalten Blick, der mir ganz
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