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Totengleich

Totengleich

Titel: Totengleich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tana French
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soll wieder zurück in meine Kiste klettern, erwähne ich meine kleine Idee nie wieder. Aber lasst mich erst zu Ende reden. Alle einverstanden?«
    O'Kelly brummte unverbindlich. Cooper zuckte mit den Schultern, als wollte er sagen, nicht mein Problem. Sam nickte nach kurzem Zögern. Mich beschlich das unverkennbare Gefühl von drohendem Unheil à la Frank.
    »Und bevor wir uns zu weit verrennen«, sagte Frank, »sollten wir uns vergewissern, ob die Ähnlichkeit auch bei genauerem Hinsehen standhält. Wenn nicht, können wir uns hier jeden Streit darüber ersparen, nicht?«
    Niemand antwortete. Er schwang sich vom Stuhl, zog eine Handvoll Fotos aus seiner Akte und heftete sie nacheinander an die Tafel. Das Foto vom Studentenausweis, vergrößert auf 18 x 25,; das Gesicht der Toten im Profil, Auge geschlossen und bläulich; eine Ganzkörperaufnahme von ihr auf dem Obduktionstisch – noch bekleidet, Gott sei Dank – mit den geballten Fäusten oben auf dem dunklen Stern aus Blut; eine Nahaufnahme von ihren Händen, geöffnet und bräunlich schwarz getüpfelt, mit silbernen Nagellackstreifen, die durch das Blut zum Vorschein kamen. »Cassie, wärst du wohl so lieb und stellst dich kurz hier hin?«
    Du Arschloch , dachte ich. Ich löste mich von der Wand, ging zur Tafel und stellte mich davor, als sollte von mir ein Polizeifoto gemacht werden. Ich hätte eine ganze Stange Geld darauf verwettet, dass Frank sich längst meine Personalakte besorgt und das Foto darin unter einer Lupe mit denen hier verglichen hatte. Er stellt vorzugsweise Fragen, auf die er die Antworten schon kennt.
    »Am besten wäre es, wir würden hierfür den Leichnam verwenden«, sagte Frank in heiterem Tonfall und biss ein Stück Klebeband halb durch, »aber ich hab mir gedacht, das könnte doch ein bisschen gruselig werden.«
    »Gott bewahre«, sagte O'Kelly.
    Ich wollte Rob hierhaben, verdammt. Ich hatte diesen Gedanken bis dahin noch nie zugelassen, nicht ein einziges Mal in all den Monaten, seit wir keinen Kontakt mehr hatten, egal, wie müde ich war oder wie spätnachts es war. Am Anfang wollte ich ihn nach Strich und Faden vermöbeln, so sehr, dass es mich ganz verrückt machte. Bei mir zu Hause warf ich mit schöner Regelmäßigkeit Sachen an die Wand. Also hörte ich auf, überhaupt noch an ihn zu denken. Aber das Büro hier um mich herum und die vier, die mich so eindringlich anglotzten, als wäre ich ein exotisches forensisches Beweisstück, und die Fotos so dicht an meiner Wange, dass ich sie spüren konnte: Das LSD-Trip-Gefühl, das ich schon die ganze Woche gehabt hatte, schwoll zu einer wilden, schwindelerregenden Welle an, und irgendwo unter dem Brustbein tat es weh. Ich hätte einen Arm oder ein Bein dafür verkauft, Rob nur für einen Augenblick hierzuhaben, wie er hinter O'Kellys Rücken ironisch eine Augenbraue hochzog und ganz sanft darauf hinwies, dass der Tausch niemals klappen würde, weil die Tote hübsch gewesen sei. Eine grausame Sekunde lang hätte ich schwören können, dass ich sein Aftershave roch.
    »Augenbrauen«, sagte Frank und tippte auf das Ausweisfoto – ich musste mich beherrschen, um nicht zusammenzuzucken –, »Augenbrauen sind gut. Augen sind gut. Lexies Pony ist kürzer, du wirst deinen stutzen lassen müssen. Davon abgesehen sind die Haare gut. Ohren – drehst du dich mal kurz zur Seite? –, Ohren sind gut. Hast du Ohrlöcher?«
    »Drei«, sagte ich.
    »Sie hatte nur zwei. Lass mal sehen … « Frank beugte sich näher ran. »Dürfte kein Problem sein. Ich kann sie nicht mal sehen, wenn ich nicht genau drauf achte. Nase gut. Mund gut. Kinn gut. Kinnpartie gut.« Bei jedem gut blinzelte Sam schnell, als würde er zusammenzucken.
    »Ihre Wangen- und Schlüsselbeinknochen wirken ausgeprägter als die des Opfers«, sagte Cooper und studierte mich mit leicht schaurigem professionellen Interesse. »Darf ich fragen, wie viel Sie wiegen?«
    Ich wiege mich nie. »Etwas über fünfzig Kilo. Zweiundfünfzig? Dreiundfünfzig?«
    »Du bist ein bisschen dünner, als sie es war«, sagte Frank. »Kein Problem; ist eben die Folge von ein oder zwei Wochen Krankenhausessen. Ihre Konfektionsgröße ist 36, Jeansweite 29, BH-Größe 75B, Schuhgröße 38. Kommt das alles hin?«
    »So ungefähr«, sagte ich. Ich fragte mich, wie zum Henker ich hier gelandet war. Ich hätte gern einen Zauberknopf gehabt, der mich mit Lichtgeschwindigkeit zurückspulen würde, bis ich mich glücklich und zufrieden da hinten in der Ecke lümmeln

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