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Totengleich

Totengleich

Titel: Totengleich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tana French
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kristallklar, nachdem Frank rasch noch ein paar komplizierte Sachen mit der Apparatur angestellt hatte: »Für dich nur das Beste, Kleines. Der Übertragungsradius beträgt rund sieben Meilen unter normalen Bedingungen. Wir haben Empfangsgeräte im Polizeirevier von Rathowen und im Morddezernat, du bist also zu Hause und im Trinity zu empfangen. Nur während der Fahrt in die Stadt und zurück haben wir keinen Empfang, aber ich geh nicht davon aus, dass dich jemand aus einem fahrenden Auto werfen wird. Visuelle Überwachung ist nicht möglich, du musst uns also mündlich über alles informieren, was wir wissen sollten. Sollte es für dich brenzlig werden und du unauffällig um Hilfe rufen müssen, sagst du, ›Ich hab Halsschmerzen‹, und innerhalb von Minuten ist die Kavallerie bei dir – aber pass auf, dass du keine richtige Mandelentzündung kriegst, oder falls doch, behalt es für dich. Du musst dich so oft wie möglich bei mir melden, am besten jeden Tag.«
    »Und bei mir«, sagte Sam, ohne sich von der Spüle umzudrehen. Frank, der in die Hocke gegangen war und auf irgendeine Anzeige am Empfänger spähte, warf mir nicht einmal einen spöttischen Blick zu.
    Sam war mit dem Abwasch fertig und fing an, das Geschirr allzu gründlich abzutrocknen. Ich brachte das Lexie-Material in eine gewisse Ordnung – das nervöse Gefühl kurz vor der entscheidenden Prüfung, wenn man seine Notizen endlich zusammenräumt, wenn ich es jetzt noch nicht kann –, packte es stapelweise in Plastiktüten, die in Franks Wagen bleiben würden. »Und das«, sagte Frank und zog die Lautsprecherstecker schwungvoll heraus, »wär’s dann wohl. Können wir?«
    »Ich bin so weit«, sagte ich und nahm die Plastiktüten. Frank klemmte sich seine Ausrüstung unter einen Arm, nahm meinen Koffer und ging zur Tür.
    »Den nehm ich«, sagte Sam barsch. »Sie haben schon genug zu tragen.« Er nahm Frank den Koffer aus der Hand und ging vor uns die Treppe hinunter, und die Rollen knallten mit harten dumpfen Schlägen auf jeder Stufe auf.
    Auf dem Treppenabsatz drehte Frank sich um und blickte wartend über die Schulter zu mir hoch. Ich hatte eine Hand am Türknauf, als mich für eine kurze Sekunde wie aus dem Nichts Panik überfiel, blau lodernde Panik, die durch mich hindurchstürzte wie ein scharfkantiger schwarzer Stein. Ich hatte das schon öfter erlebt, in den Schwebemomenten, bevor ich aus dem Haus meiner Tante auszog, meine Jungfräulichkeit verlor, den Eid als Polizistin ablegte: die Augenblicke, wenn das Unwiderrufliche, das du dir so herbeigesehnt hast, plötzlich real und konkret wird, ganz nah ist und auf dich zurast, ein unergründlicher, anschwellender Fluss, und es gibt kein Zurück, sobald du ihn überquert hast. Ich musste mich beherrschen, um nicht wie ein kleines Kind, das in Angst versinkt, loszubrüllen, Ich will das nicht mehr .
    In so einem Moment kannst du nichts anderes tun als die Zähne zusammenbeißen und abwarten, bis er vorüber ist. Der Gedanke daran, was Frank sagen würde, wenn ich jetzt tatsächlich einen Rückzieher machte, war eine große Hilfe. Ich warf einen letzten Blick in meine Wohnung – Licht aus, Heizung aus, Abfalleimer leer, Fenster geschlossen. Der Raum schloss sich bereits in sich, Stille drang überallhin, wo wir gewesen waren, schwebte auf wie Staub in den Ecken. Dann zog ich die Tür zu.

5
    Die Fahrt nach Glenskehy dauerte fast eine Stunde, obwohl kaum Verkehr war und Frank am Steuer saß, und eigentlich hätte sie unerträglich sein müssen. Sam saß wie ein Häufchen Elend auf der Rückbank, neben dem ganzen Technikkram. Um die Stimmung aufzuheitern, drehte Frank die Musik im Radio laut auf, pfiff und wippte mit dem Kopf und trommelte den Rhythmus auf dem Lenkrad mit. Ich nahm sie beide kaum wahr. Es war ein wunderschöner Nachmittag, sonnig und frisch, ich war nach einer vollen Woche das erste Mal wieder aus meiner Wohnung raus, und ich hatte das Fenster ganz runtergedreht und ließ mir den Wind durchs Haar pusten. Der harte schwarze Panikstein hatte sich in dem Moment aufgelöst, als Frank den Wagen anließ, und verwandelte sich in etwas Süßes und Zitronengelbes und wild Berauschendes.
    »So«, sagte Frank, als wir nach Glenskehy kamen, »jetzt zeig uns mal, wie gut du in Erdkunde aufgepasst hast. Sag mir, wo’s langgeht.«
    »Geradeaus durchs Dorf, vierte Straße rechts, eine ganz schmale, kein Wunder, dass die Autos von Daniel und Justin aussehen, als würden sie Dragsterrennen fahren,

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