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Totengleich

Totengleich

Titel: Totengleich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tana French
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mitgeholfen, Frühstück zu machen. Es war so lange her, seit ich es geschafft hatte, länger als bis sechs zu schlafen, dass ich Lexies Wecker gar nicht erst gestellt hatte. Ich klebte mir Mikro und Verband wieder an, schlüpfte in Jeans und ein T-Shirt und einen Mammutpullover, der aussah, als hätte er mal einem von den Jungs gehört – die Luft war eiskalt –, und ging nach unten.
    Die Küche lag nach hinten raus, und sie hatte sich seit Lexies Gruselfilm deutlich verbessert. Keine Spur mehr von Schimmel und Spinnweben und dem schäbigen Linoleum. Stattdessen Fliesenboden, ein gescheuerter Holztisch, ein Topf mit struppigen Geranien auf der Fensterbank vor der Spüle. Abby, in einem roten Flanellmorgenmantel mit hochgezogener Kapuze, wendete Schinkenspeck und Würstchen. Daniel saß am Tisch, fertig angezogen, las ein Buch, das er unter den Rand seines Tellers geklemmt hatte, und aß Spiegeleier mit methodischem Genuss. Justin schnitt seinen Toast in Dreiecke und jammerte.
    »Ehrlich, so was hab ich noch nicht erlebt. Letzte Woche hatten nur ganze zwei von ihnen die Lektüre vorbereitet. Der Rest hockte bloß da, starrte vor sich hin und kaute Kaugummi, wie eine Herde Kühe. Willst du wirklich nicht tauschen, nur heute? Du kriegst vielleicht mehr aus ihnen raus –«
    »Nein«, sagte Daniel, ohne aufzublicken.
    »Aber deine machen die Sonette. Ich kenn die Sonette. Ich bin gut in den Sonetten.«
    »Nein.«
    »Morgen«, sagte ich von der Tür aus.
    Daniel nickte mir ernst zu und widmete sich wieder seinem Buch. Abby winkte mit dem Pfannenwender. »Morgen, du.«
    »Hallo, Schätzchen«, sagte Justin. »Komm her. Lass dich anschauen. Wie fühlst du dich?«
    »Prima«, sagte ich. »Tut mir leid, Abby. Ich hab total verschlafen. Komm, gib mir das Ding –«
    Ich griff nach dem Pfannenwender, aber sie riss ihn weg. »Nein, ist schon in Ordnung. Du giltst noch als Verwundete. Morgen komm ich hoch und schmeiß dich aus dem Bett. Hinsetzen.«
    Wieder dieser Sekundenbruchteil – Verwundete : Daniel und Justin schienen zu erstarren, mitten in der Kaubewegung. Dann setzte ich mich an den Tisch, Justin griff nach einer weiteren Scheibe Toast, und Daniel blätterte eine Seite um und schob eine rote Emaillekanne zu mir rüber.
    Abby beförderte drei Speckscheiben und zwei Spiegeleier auf einen Teller, kam rüber und stellte ihn, ohne zu fragen, vor mich hin. »Brrr, ist das kalt«, sagte sie und eilte zurück zum Herd. »Mensch, Daniel, ich weiß, du hast was gegen Doppelverglasung, aber im Ernst, wir sollten zumindest mal drüber nachdenken –«
    »Doppelverglasung ist die Ausgeburt des Satans. Einfach grässlich.«
    »Ja, aber warm . Wenn wir hier unten schon keine Teppichböden kriegen –«
    Justin knabberte an seinem Toast, Kinn in der Hand, und betrachtete mich so eindringlich, dass ich nervös wurde. Ich konzentrierte mich aufs Essen. »Du siehst blass aus. Du kommst doch heute nicht mit zur Uni, oder?«
    »Ich denke nicht«, sagte ich. Ich fühlte mich nicht für einen ganzen Tag in meiner Rolle bereit, noch nicht. Und außerdem wollte ich eine Gelegenheit, das Haus in aller Ruhe unter die Lupe nehmen zu können. Ich wollte das Tagebuch oder den Terminkalender oder was immer es war finden. »Ich soll es in den ersten Tagen langsam angehen lassen. Aber da fällt mir ein: Was ist eigentlich mit meinen Tutorenkursen?« Die Tutorenkurse enden zu den Osterferien, aber ein paar ziehen sich aus irgendwelchen Gründen bis ins Sommersemester. Ich hatte noch zwei Kurse, einen dienstags und einen donnerstags. Ich freute mich weiß Gott nicht auf sie.
    »Wir haben dich vertreten«, sagte Abby, lud sich einen Teller voll und setzte sich zu uns an den Tisch, »mehr oder weniger. Daniel hat mit deiner Donnerstagsgruppe Beowulf gelesen. Im Original.«
    »Super«, sagte ich. »Wie haben sie reagiert?«
    »Eigentlich nicht schlecht«, sagte Daniel. »Zuerst waren sie fassungslos, aber irgendwann haben ein paar von ihnen ganz intelligente Sachen dazu gesagt. Es war ziemlich interessant.«
    Rafe kam hereingestolpert, die Haare ungekämmt, in T-Shirt und einer gestreiften Pyjamahose, und sah aus, als wäre er radargesteuert. Er winkte in die Runde, tastete nach einer Tasse, goss sich viel schwarzen Kaffee ein, klaute eine Hälfte Toast von Justins Teller und verschwand wieder.
    »Zwanzig Minuten!«, rief Justin hinter ihm her. »Ich warte nicht auf dich!« Rafe winkte bloß mit einer Hand über der Schulter ab und ging weiter.
    »Die

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