Totengrund
dass du hier in Sicherheit bist.«
»Gabriel, ich dachte immer, wir wären ein Team.«
Er setzte den Rucksack ab und sah sie mit einem ironischen Lächeln an. »Und welches Mitglied des Teams ist allergisch gegen Camping in jeglicher Form?«
»Ich tu’s, wenn es sein muss.«
»Du hast keinerlei Wintercamping-Erfahrung.«
»Sansone auch nicht.«
»Aber er ist durchtrainiert und stark. Ich glaube, du kannst diesen Rucksack gar nicht heben. Na los, versuch’s mal!«
Sie packte den Rucksack und wuchtete ihn vom Bett. Mit zusammengebissenen Zähnen stieß sie hervor: »Das geht schon.«
»Aber jetzt stell dir mal vor, du müsstest mit diesem Gewicht auf dem Rücken auf einen Berg steigen. Stell dir vor, du müsstest diesen Rucksack stundenlang, tagelang schleppen, und das in großer Höhe. Stell dir vor, du müsstest mit Männern Schritt halten, die gut zwanzig Kilo mehr Muskelmasse haben als du. Jane, wir wissen beide, dass das nicht realistisch ist.«
Sie ließ den Rucksack fallen, und er schlug dumpf auf dem Boden auf. »Ihr kennt euch in dieser Gegend nicht aus.«
»Wir sind mit Leuten unterwegs, die sich auskennen.«
»Könnt ihr euch denn auf deren Urteil verlassen?«
»Das werden wir früh genug herausfinden.« Er schloss den Rucksack und stellte ihn in die Ecke. »Wichtig ist nur, dass wir immer dabei sind. Es kann gut sein, dass der eine oder andere zu schnell abdrückt, und dann ist Maura in der Schusslinie.«
Jane seufzte und sank aufs Bett. »Was zum Teufel macht sie eigentlich da draußen? Ihre Handlungen ergeben überhaupt keinen Sinn!«
»Deswegen solltest du zusehen, dass du immer telefonisch erreichbar bist. Sie hat dich schon einmal angerufen, vielleicht wird sie es wieder tun.«
»Und wie kann ich dich erreichen?«
»Sansone nimmt ein Satellitentelefon mit. Es ist ja nicht so, als würden wir vom Erdboden verschwinden.«
Aber so fühlt es sich an, dachte sie, als sie in dieser Nacht neben ihm im Bett lag. Obwohl ihm eine gefahrvolle Expedition in die Wildnis bevorstand, schlief er tief und fest, von keinerlei Ängsten geplagt. Sie war es, die wach lag und sich grämte, weil sie weder stark noch erfahren genug war, um ihn zu begleiten. Sie dachte immer, dass sie jedem Mann gewachsen wäre, aber in diesem Fall musste sie sich der traurigen Wahrheit stellen: Sie konnte diesen Rucksack nicht tragen. Sie konnte nicht mit Gabriel mithalten. Nach wenigen Meilen würde sie wahrscheinlich im Schnee zusammenbrechen und damit nicht nur den Erfolg der Expedition gefährden, sondern sich obendrein gründlich blamieren.
Und wie schafft Maura es dann, da draußen zu überleben?
Diese Frage stellte sich ihr noch eindringlicher, als sie im Morgengrauen erwachte und aus dem Fenster blickte, wo der Wind den Schnee über den Hotelparkplatz peitschte. Sie stellte sich vor, wie dieser Wind ihr in den Augen brennen, ihre Haut schockgefrieren würde. Es war ein schrecklicher Tag für den Start einer Suchaktion.
Die Sonne war noch nicht aufgegangen, als sie mit Gabriel und Sansone zum Sammelpunkt fuhren. Von den übrigen Teilnehmern der Suchexpedition waren ein Dutzend bereits eingetroffen, darunter auch die Hundeführer mit ihren Tieren. Die Männer standen im morgendlichen Dämmerlicht beisammen und nippten an dampfenden Kaffeebechern. Jane konnte die Erregung in ihren Stimmen hören, spürte die knisternde Spannung, die in der Luft lag. Sie waren wie alle Polizisten vor einer Razzia – randvoll mit Testosteron und berstend vor Tatendrang.
Während Gabriel und Sansone ihre Rucksäcke schulterten, hörte sie Sheriff Fahey fragen: »Wo wollen Sie beide denn hin mit diesem Gepäck?«
Gabriel wandte sich zu ihm um. »Sie hatten doch gesagt, dass Sie freiwillige Helfer für die Suchaktion brauchen.«
»Aber wir haben kein Wort davon gesagt, dass wir einen FBI-Mann dabeihaben wollen.«
»Ich bin geschulter Unterhändler für Geiselnahmen«, erwiderte Gabriel. »Und ich kenne Maura Isles. Sie wird mir vertrauen.«
»Das ist eine raue Berglandschaft hier. Da muss man sich auskennen.«
»Acht Jahre im Marine-Corps. Spezialausbildung für Wintereinsätze im Gebirge. Haben Sie sonst noch Fragen?«
Fahey, dem angesichts dieser Qualifikationen keine Argumente mehr einfielen, wandte sich an Sansone, doch dessen steinerne Miene erstickte jeden Versuch, ihn zur Rede zu stellen, im Keim. Fahey grummelte etwas in seinen Bart und stapfte davon. »Wo ist Monty Loftus?«, rief er. »Wir können schließlich nicht
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