Totengrund
war dazugekommen: Schneeschuhe.
Sie wusste, dass diese Fußstapfen hinterlassen worden waren, nachdem Doug hier entlanggekommen war, denn sie überlagerten die Abdrücke seiner Schuhe. Aber wie bald danach? Stunden später, einen Tag später? Oder war Dougs Verfolger direkt hinter ihm gewesen und immer näher gekommen?
Ist er in diesem Moment hinter mir?
Sie wirbelte herum und suchte mit klopfendem Herzen ihre Umgebung ab. Die Bäume schienen ihr dichter zu stehen, als ob sie irgendwie an die Straße herangerückt wären, während sie nicht hingeschaut hatte. Nach dem grellen Sonnenschein waren ihre Augen fast blind, als sie nun versuchte, im Halbdunkel unter diesen schweren Ästen etwas zu erkennen, und ihr Blick drang nur ein kurzes Stück in den Wald ein, ehe die Schatten alles verschluckten. Ringsum war alles totenstill. Kein Wind, keine Schritte, nur das Geräusch ihrer hektischen Atemzüge.
Hol die Skier. Sieh zu, dass du von diesem Berg herunterkommst.
Sie verfiel in Trab, immer Dougs Fußstapfen nach. Er war nicht gelaufen, sondern hatte seinen Weg mit festen, gleichmäßigen Schritten fortgesetzt; seine Sohlen hatten tiefe Abdrücke im Schnee hinterlassen. Zu diesem Zeitpunkt hatte er noch nicht registriert, dass er verfolgt wurde. Wahrscheinlich hatte er nur an die Aufgabe gedacht, die vor ihm lag; hatte nur daran gedacht, sich die Skier unterzuschnallen und ins Tal hinunterzufahren. Dass ihm jemand folgen könnte, war ihm wohl nicht in den Sinn gekommen.
Ihr Brustkorb schmerzte, und von der kalten Luft brannte ihre Kehle. Jeder Schritt, den sie tat, schien ihr ohrenbetäubend laut, wenn ihre Schuhe durch den vereisten Schnee brachen. Jeder, der sie hörte, müsste glauben, dass ein Elefant hier den Berg hinaufstapfte. Ein keuchender, schwerfälliger Elefant.
Endlich sah sie vor sich die Kette, die vor die Einmündung der Privatstraße gespannt war. Jetzt war es nicht mehr weit. In Dougs Fußstapfen legte sie die letzten paar Dutzend Meter des Wegs zurück, vorbei an der Kette, vorbei an dem Schild » Nur für Anwohner « , und dann sah sie den Suburban, der immer noch auf der Seite im Graben lag. Von den Langlaufskiern auf dem Dachgepäckträger fehlte ein Paar.
Doug hatte es also bis hierhin geschafft. Sie sah die parallelen Spuren seiner Skier, die den Berg hinunterführten.
Sie watete in den Graben, wo sie bis zu den Oberschenkeln im Schnee versank, und schnallte das zweite Paar Skier vom Gepäckträger los. An die Langlaufschuhe heranzukommen, würde länger dauern. Sie waren im Auto, und da der Jeep auf der Seite lag, kostete es sie große Anstrengung, die schwere Tür aufzuwuchten. Als sie es schließlich geschafft hatte, war sie außer Atem und keuchte schwer.
Plötzlich vernahm sie ein fernes Grollen. Sie verharrte reglos und lauschte, versuchte, das Pochen ihres eigenen Herzens auszublenden. Fast fürchtete sie, dass sie es sich nur eingebildet hatte. Nein, da war es wieder – das Geräusch eines Motors.
Ein Schneepflug kam die Straße herauf.
Er hat es geschafft. Doug hat es geschafft, und jetzt werden wir alle gerettet.
Sie stieß einen Freudenschrei aus und ließ die Tür des Suburban zuknallen. Noch konnte sie das Räumfahrzeug nicht sehen, doch das Geräusch wurde lauter, kam immer näher, und sie lachte und weinte zugleich. Zurück zur Zivilisation, dachte sie. Zurück zu heißen Duschen und elektrischem Licht und Telefonen. Und, was das Wichtigste war: zu Krankenhäusern.
Arlo würde überleben.
Sie kletterte aus dem Graben auf die Straße und wartete auf ihre Retter. Spürte die Sonne auf ihrem Gesicht, das Glücksgefühl, das sie durchströmte. Jetzt wird endlich alles gut. Jetzt ist der Albtraum endlich zu Ende.
Und dann hörte sie, durch das Grollen des herannahenden Schneepflugs hindurch, das leise Knirschen, mit dem ein Gewicht sich auf die Schneedecke senkte. Das Geräusch kam von direkt hinter ihr. Erschrocken sog sie die Luft ein, spürte sie in der Lunge wie einen kalten Windstoß. Da erst sah sie den Schatten, der langsam näherrückte und sich über ihren legte.
Das Phantom aus dem Wald. Es ist hier.
20
Jane fand Daniel Brophy in der verlassenen Cocktaillounge des Hotels, wo er mit gesenktem Kopf in einer Ecke saß. Er blickte nicht auf, als sie an seinen Tisch trat, und gab ihr damit deutlich zu verstehen, dass er allein sein wollte.
Sie setzte sich dennoch zu ihm. »Wir haben Sie beim Mittagessen vermisst«, sagte sie. »Haben Sie überhaupt etwas
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