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Totengrund

Totengrund

Titel: Totengrund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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gegessen?«
    »Ich habe keinen Hunger.«
    »Ich warte immer noch auf den Rückruf von Queenan. Aber ich glaube nicht, dass er uns heute etwas Neues berichten kann.«
    Er nickte, immer noch ohne sie anzusehen. Immer noch gab ihr seine Körpersprache zu verstehen: Lass mich allein. Ich möchte nicht reden. Selbst im schmeichelnden Licht der Lounge sah er deutlich gealtert aus. Erschöpft und niedergeschlagen.
    »Daniel«, sagte sie, »ich werde nicht aufgeben. Und das sollten Sie auch nicht.«
    »Wir sind durch fünf Bezirke gefahren«, sagte er. »Wir haben über sechs verschiedene Radiosender Aufrufe verbreitet. Und wir haben uns jede einzelne Minute dieser Überwachungsvideos angesehen.«
    »Es könnte sein, dass wir etwas übersehen haben. Etwas, das uns beim zweiten Durchlauf auffallen wird.«
    »Sie sah glücklich aus auf diesen Bildern. Nicht wahr?« Er hob den Kopf, und sie erblickte die Pein in seinen Augen. »Sie sah aus, als wäre sie glücklich mit diesem Mann.«
    Jane schwieg einen Moment, ehe sie zugab: »Ja, das stimmt.«
    Die Überwachungskameras in der Lobby hatten Maura und den blonden Mann mehrfach erfasst. Aber es waren immer nur flüchtige Eindrücke, nie mehr als ein paar Sekunden, ehe sie wieder aus dem Bild verschwanden. Es war, als sähe man einen Geist über den Monitor huschen – den Geist einer Frau, die ihre letzten Augenblicke auf Erden immer wieder aufs Neue durchlebte.
    »Wir wissen nicht, was das alles zu bedeuten hat«, meinte Jane. »Es könnte ein alter Bekannter von ihr sein.«
    »Jemand, der sie zum Lächeln bringen konnte.«
    »Es war ein Ärztekongress. Ein Haufen Rechtsmediziner, die sich wahrscheinlich alle kennen. Vielleicht hatte er ja gar nichts mit ihrem Verschwinden zu tun.«
    »Oder Queenan hat doch recht, und sie haben sich in irgendein Hotelzimmer verkrochen, wo sie in diesem Moment heißen, wilden …« Er brach ab.
    »Das würde immerhin bedeuten, dass sie noch am Leben ist.«
    »Ja. Das ist richtig.«
    Sie verstummten beide. Es war erst drei Uhr nachmittags, zu früh für Cocktails. Bis auf einen Barkeeper, der hinter dem Tresen Gläser stapelte, waren sie allein in der schummrigen Lounge.
    »Wenn sie mit einem anderen Mann durchgebrannt ist«, sagte Jane leise, »dann werden Sie wohl verstehen, wie es dazu kommen konnte.«
    »Ich gebe mir selbst die Schuld«, sagte er. »Weil ich nicht dieser Mann bin. Und frage mich allmählich …«
    »Was?«
    »Ob sie nicht schon mit der Absicht angereist ist, sich mit ihm zu treffen.«
    »Haben Sie irgendeinen Grund für diese Vermutung?«
    »Sehen Sie sich doch nur an, wie die zwei sich anlächeln. Wie vertraut sie miteinander umgehen.«
    »Sie sind vielleicht alte Freunde.« Oder sie waren einmal zusammen , dachte sie, sprach es aber nicht aus. Das war auch nicht nötig; sicherlich quälte ihn der gleiche Gedanke. »Das sind alles nur Theorien, die jeder Grundlage entbehren«, sagte sie. »Alles, was wir haben, ist dieses Video, das zeigt, wie sie sich in der Lobby treffen, um zusammen essen zu gehen.«
    »Und wie sie lächelt.« Der Schmerz trübte seinen Blick. »Das ist mir nie gelungen. Ich konnte ihr nicht geben, was sie brauchte.«
    »Das Beste, was wir jetzt für sie tun können, ist, dass wir die Hoffnung nicht aufgeben. Dass wir weiter nach ihr suchen. Ich werde jedenfalls nicht aufgeben.«
    »Sagen Sie mir die Wahrheit.« Er sah ihr in die Augen. »Sie sind schon lange genug bei der Mordkommission. Was sagt Ihnen Ihr Instinkt?«
    »Der Instinkt kann einen auch mal täuschen.«
    »Wenn sie nicht Ihre Freundin wäre, wenn es irgendein anderer Vermisstenfall wäre, was würden Sie in diesem Moment denken?«
    Sie zögerte. Das einzige Geräusch im Raum war das Klirren der Gläser, die der Barkeeper hinter dem Tresen für die bevorstehende Cocktailstunde bereitstellte.
    »Nachdem so viel Zeit verstrichen ist?« Sie schüttelte den Kopf. »Da wäre ich gezwungen, das Schlimmste anzunehmen.«
    Ihre Antwort schien ihn nicht einmal zu überraschen. Inzwischen musste er zum selben Schluss gelangt sein.
    Ihr Handy klingelte, und sie erstarrten beide. Jane warf einen Blick auf die Nummer – es war Queenan. Als sie seine Stimme hörte, wusste sie sofort, dass es ein Anruf war, den er sich liebend gerne erspart hätte. Und auch sie hätte sich gewünscht, dass sie ihn nie bekommen hätte.
    »Es tut mir leid, dass ich Ihnen die Nachricht überbringen muss«, sagte er.
    »Was ist es?«
    »Sie sollten zum Saint John ’ s Medical

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