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Totenhauch

Totenhauch

Titel: Totenhauch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Stevens
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ging.
    »Ist sie kaputtgegangen?«
    »Ich glaube nicht. Ich habe gehört, dass sie da hinübergerollt ist.« Was überhaupt nicht hilfreich war, da er nicht sehen konnte, wohin ich zeigte.
    Ich hörte das Geräusch eines zündenden Feuersteins, und im nächsten Moment tanzte eine Flamme zwischen uns. In dem flackernden Licht wirkte sein Gesicht blass und ein wenig grau. Ich habe noch nie ein schöneres Bild gesehen.
    Er blickte mich an. »Sind Sie sicher, dass Sie okay sind?«
    »Ja, es geht mir gut. Ich habe total überreagiert. Das war dumm.«
    »So dumm auch wieder nicht. Nicht an so einem Ort.« Er schaute sich um. »Wo haben Sie die Taschenlampe fallen lassen?«
    »Da drüben.«
    »Ich sehe sie.« Er bückte sich, um sie aufzuheben, und hielt mir das Feuerzeug hin. »Hier, halten Sie das.«
    Ich gehorchte und hielt die Flamme so hoch, dass er genug Licht hatte, um das Glas der Taschenlampe abzuschrauben, die Glühbirne festzudrehen und das Gehäuse anschließend wieder zusammenzusetzen. Batterien neu einlegen, ein paar Schläge gegen die Handfläche, und das Licht ging wieder an.
    Ich ließ das Rädchen, das ich mit dem Daumen festgehalten hatte, los, sodass die Flamme erstarb, und gab Devlin das Feuerzeug zurück. Es war schwer und kunstvoll verziert, und soweit ich sehen konnte, schien es auch ziemlich alt zu sein. »Ich wusste gar nicht, dass die noch jemand benutzt.«
    »Es hat meinem Vater gehört. Ich trage es schon seit Jahren mit mir herum.«
    »Als Glücksbringer?«
    »Es ist nur ein Andenken«, erwiderte er. »Mehr nicht.«
    Aber als er das Feuerzeug in die Tasche steckte, erinnerte ich mich an die Amulette, die Mariama, wie er sagte, als Glücksbringer getragen hatte, und an den Stein von Rosehill, den ich an einer Kette um den Hals trug. Wir hatten alle unsere Gris-Gris , unsere Placebos. Selbst Devlin   – ob er es nun zugab oder nicht.
    Er hielt die Taschenlampe in Schulterhöhe und suchte mit dem Lichtstrahl den ganzen Raum ab, um unser vorübergehendes Gefängnis genauer zu begutachten. Meine Augen folgten dem Licht zu den Symbolen an der Wand, den Ecken mit den Spinnweben und schließlich an den Ketten hinauf und wieder hinunter.
    Devlin ging hinüber, blieb dort stehen und starrte an die Decke, wo der Flaschenzug an einem Holzbalken gesichert war. Er ließ den Lichtschein über die Seile wandern, bis er das Ende fand, das um einen Metallnagel geschlungen war, den man in die Ziegelwand geschlagen hatte. Die Fußeisen waren mit einem Bolzen an den Ketten befestigt, die wiederum an einer Vorrichtung festgemacht waren, die man mit dem Flaschenzug heben und senken konnte.
    Devlin löste das Seil. Die Ketten fielen herunter, und ich fuhr zusammen, als der Metallbügel auf dem Ziegelboden aufschlug. Grauenvolle Bilder schossen mir durch den Kopf, während Devlin die Vorrichtung mit dem Flaschenzug hochhievte und wieder sicherte. Als Nächstes untersuchte er den Boden unter den Ketten. Von da aus, wo ich stand, sahen die Ziegel dort dunkler aus. Mir wurde ganz mulmig, als ich sah, wie er sich auf den Boden hockte und mit dem Finger darüberfuhr. Dann stand er wieder auf und suchte weiter.
    Die Stille dehnte sich endlos aus.
    »Was meinen Sie, wofür er den Stuhl benutzt hat?«, fragte ich schließlich. »Glauben Sie, dass er dagesessen und   … sie beobachtet hat?«
    »Entweder das, oder er hatte ein Publikum«, erwiderte Devlin so sachlich, dass mir das Blut in den Adern gefror.
    Abermals ließ er den Lichtstrahl über die Wände gleiten, und ich drehte mich mit ihm. Die Spinnweben waren an manchen Stellen so dick, die Stränge so zusammengeklumpt, dass das Licht nicht hindurchdringen konnte.
    Devlin fluchte, und ich sah, wie seine Hand zurückzuckte. Zuerst dachte ich, er hätte noch eine Riesenspinne entdeckt   … oder noch schlimmer: den Mörder. Doch das Licht der Taschenlampe war auf den oberen Teil der Wand gerichtet, dicht unter der Decke. Und plötzlich sah ich es auch, eingesponnen in einen hauchdünnen Kokon.
    In der hintersten und dunkelsten Ecke. An die Wand gefesselt. Das Skelett eines Menschen.

SIEBENUNDZWANZIG
    Das Skelett war an den Handgelenken aufgehängt, nicht an den Fußknöcheln, wie Devlin es mir unlängst erst beschrieben hatte. Ich hatte das Gefühl, als wäre das wichtig, doch ich war noch viel zu erschüttert, um zu versuchen, den Sinn zu verstehen.
    Sonst konnte man durch die Spinnweben nicht viel sehen. Kleiderfetzen. Haarbüschel, die noch am Schädelknochen

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