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Totenhauch

Totenhauch

Titel: Totenhauch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Stevens
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Ein Kurier von was? Ein Bote für wen? »Hast du ihn schon öfter gesehen? Ich meine   … seit damals?«
    »Nein.«
    »Warum ist er wiedergekommen? Und warum ausgerechnet jetzt, nach so vielen Jahren?«
    »Vielleicht ist es eine Warnung«, meinte Papa.
    »Was für eine Warnung?«
    Langsam wandte er mir das Gesicht zu. »Das frage ich dich, mein Kind. Ist irgendetwas passiert?«
    Und da wusste ich es auf einmal. Es war tatsächlich etwas passiert. Etwas hatte sich verändert, in dieser und in der anderen Welt. In dem Augenblick, als John Devlin aus dem Nebel getreten war, war irgendetwas anders geworden.
    Ich schlang die Arme noch fester um meine Beine. Ich konnte nicht aufhören zu zittern.
    Papa legte mir sanft die Hand auf die Schulter. »Was hast du getan, Amelia?«
    Nun war ich diejenige, die ihn nicht anschauen konnte. »Ich habe jemanden kennengelernt. Einen Detective bei der Polizei namens John Devlin. Er wird heimgesucht von zwei Geistern, einer Frau und einem kleinen Mädchen. Letzte Nacht ist das Geisterkind in meinen Garten gekommen. Sie wusste, dass ich sie sehen konnte, Papa. Sie hat versucht, mit mir Kontakt aufzunehmen. Und heute Morgen habe ich dann einen winzigen Ring im Garten gefunden, an der Stelle, wo ich sie habe verschwinden sehen.«
    »Was hast du mit dem Ring gemacht?«
    »Ich habe ihn an der Stelle vergraben, wo ich ihn gefunden habe.«
    »Du musst ihn loswerden«, sagte er, und auf einmal schwang in seiner Stimme etwas mit, was ich noch nie bei ihm gehört hatte. Doch ich hätte nicht sagen können, was es war. »Du musst den Ring dahin zurückbringen, wo er hergekommen ist.«
    Entsetzt sah ich ihn an. »Ich soll ihn zurückbringen   … dem Geist zurückgeben?«
    »Bring ihn zu der Stelle, wo die Kleine gestorben ist. Oder zu ihrem Grab. Werd ihn einfach nur los. Und versprich mir, dass du dich nie wieder mit diesem Mann triffst.«
    »Ich weiß nicht, ob das so einfach ist.«
    »Das ist so einfach«, beharrte er. »Es hat Konsequenzen, wenn man die Regeln bricht. Das weißt du genau.«
    Seine strenge Stimme löste Abwehr in mir aus. »Aber ich habe die Regeln nicht gebrochen, ich   …«
    »Halte dich fern von Menschen, die von Geistern heimgesucht werden«, rezitierte er. »Wenn sie sich dir nähern, wende dich von ihnen ab, denn sie sind eine schreckliche Gefahr, und man kann ihnen nicht trauen.«
    Ich dachte an Devlin, wie er schlafend in meinem Arbeitszimmer gelegen, mir meine ganze Energie ausgesaugt hatte. Ich wagte nicht, Papa davon zu erzählen.
    »Du darfst diesen Mann nicht in dein Leben lassen«, warnte er mich. »Du darfst das Schicksal nicht herausfordern.«
    »Papa   …«
    »Hör mir gut zu, Amelia. Es gibt Wesenheiten, die du noch nie gesehen hast. Kräfte, von denen ich nicht einmal zu sprechen wage. Sie sind eisiger, stärker und hungriger als jeder Totengeist, den du dir vorstellen kannst.«
    Ich schnappte nach Luft. »Wovon redest du? Meinst du   … Geister?«
    »Ich nenne sie die Anderen«, erwiderte er, und noch nie hatte ich eine solche Furcht und eine solche Verzweiflung in der Stimme eines Menschen mitschwingen hören.
    Die Anderen . Mein Herz schlug, als wolle es mir aus der Brust springen. »Warum kann ich sie nicht sehen?«
    »Sei dankbar, dass du es nicht kannst, mein Kind. Und pass gut auf, dass du sie nicht in dein Leben lässt. Wenn man diese Tür erst einmal geöffnet hat   … kann man sie nie wieder schließen.«
    Ich senkte die Stimme zu einem Flüstern. »Hast du sie gesehen, Papa?«
    Er schloss die Augen. »Ja«, sagte er dann. »Ich habe sie gesehen.«

ACHT
    Die Art, wie Papa die Anderen beschrieb   – eisiger, stärker und hungriger als jeder Totengeist, der mir je begegnet sei   –, war grauenvoll. Und doch zermarterte ich mir auf dem Heimweg vor allem über den Zeitpunkt dieser Eröffnung das Hirn. Warum erzählte er mir erst jetzt von einem anderen Totenreich, dessen Bewohner ich nicht sehen konnte?
    Hatte er Angst vor der Macht des Verbotenen, vor dem Reiz des Tabus? Wollte er mich so gründlich erschrecken, dass ich mich von Devlin fernhielt?
    Das hätte vielleicht sogar funktioniert, wenn Camille Ashby mich nicht am nächsten Tag angerufen hätte.
    Zumindest sagte ich mir das selbst.
    Camille war nicht nur meine derzeitige Arbeitgeberin, sondern sie war außerdem ein Mensch, der in Charleston die besten Verbindungen hatte. Neben ihrer Stellung an der Emerson University saß sie im Vorstand von fast jeder Denkmalschutz-Organisation

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