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Totenhauch

Totenhauch

Titel: Totenhauch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Stevens
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Hintergrund in der Luft schwebte«, sagte sie und zeichnete imaginäre Anführungszeichen in die Luft. »Das war das größte Ereignis, das es in dem Städtchen in den letzten vierzig Jahren gegeben hat. Die Frau hat gar nicht mehr aufgehört, davon zu reden.«
    »Die Welt ist klein«, murmelte ich.
    »Aber echt. Was meinen Sie, was passiert, wenn sie das hier erfährt. Sie haben nicht zufällig einen Abrieb oder so etwas, den Sie ihr signieren könnten?«
    »Äh, leider nicht. Außerdem bin ich gegen Abriebe. Damit kann man nämlich die Grabsteine beschädigen.«
    »Wirklich? Na ja, schade. An so etwas hätte sie nämlich echt Spaß gehabt.«
    »Erlauben Sie?«, mischte Devlin sich ein. »Wenn es nicht zu viel Mühe macht, würde ich gern Ihre erste Einschätzung hören.«
    »Was Amelia angeht?« Regina zwinkerte mir zu. »Hübsches Mädchen, hat sich vor der Kamera anständig benommen.«
    »Ich rede von den sterblichen Überresten«, gab er trocken zurück.
    »Ach so, die meinen Sie. Mausetot.«
    Reginas Flachserei war für jemanden wie Devlin wahrscheinlich ein bisschen schwer zu ertragen. Ihm ging es ausschließlich um seine Arbeit, und mehr als den Anflug eines Lächelns hatte ich immer noch nicht bei ihm gesehen. Allerdings hatten Menschen, die von Geistern heimgesucht wurden, oft ein grimmiges Auftreten. Das konnte man ihnen kaum verdenken.
    Sie schob sich den Pony aus der Stirn, was ihr ein seltsam gefiedertes Aussehen verlieh, und ich zweifelte daran, dass sie das beabsichtigt hatte. »Ich habe hier nicht gerade viel, womit ich arbeiten könnte. Ich kann nicht einmal mit Sicherheit sagen, ob es sich bei der Leiche um die Person handelt, die ursprünglich hier begraben wurde, oder ob sie zu einem späteren Zeitpunkt dazugepackt wurde. Die Hand sieht verdammt sauber aus. Kein Muskel, keine Sehne, nur der Knochen. Wer auch immer der arme Kerl war, er liegt schon seit Jahren hier.«
    »Sie«, warf ich ein, woraufhin beide zugleich die Augenbrauen hoben. »Wenn die Knochen zu der Person gehören, die ursprünglich hier beerdigt wurde, sind sie aller Wahrscheinlichkeit nach von einer Frau.«
    »Was Sie nicht sagen!«, meinte Regina und schlug eine Mücke tot, die auf ihrem Arm eine blutige Schliere hinterließ. Geistesabwesend wischte sie die Hand an ihrer Jeans ab. »Ich bin unheimlich neugierig, wie Sie zu dieser Schlussfolgerung kommen. Die Inschrift auf dem Grabstein ist nämlich nicht mehr lesbar.«
    »Wenn Sie auf den oberen Teil des Steins schauen, können Sie ganz schwach ein Blumenmotiv erkennen   … eine Rose, die meistens das Weibliche symbolisieren soll. Und eine Rosenknospe oder eine mehr oder weniger aufgegangene Blüte zeigt an, wie alt die Verstorbene war. Eine Knospe steht für ein Kind unter zwölf Jahren. Eine aufgehende Blüte für einen Teenager, und so weiter. Eine voll aufgegangene Blüte und eine Knospe werden manchmal zusammen benutzt, um anzuzeigen, dass essich um ein Doppelgrab handelt, in dem Mutter und Kind begraben liegen. Ich habe auf diesem Stein nur eine Rose in voller Blüte gesehen.«
    Regina wandte sich zu Devlin. »Ich schätze mal, man nennt sie nicht umsonst die Friedhofskönigin.«
    »Offensichtlich nicht.« Hier im Schatten sahen seine Augen fast schwarz aus. »Sonst noch irgendetwas, was Sie uns sagen können?«
    »Ja, und wenn man bedenkt, worüber wir uns neulich unterhalten haben, ist das fast so etwas wie eine glückliche Fügung. Wenn Sie ganz genau hinsehen, können Sie nämlich auch die Umrisse eines Flügelgesichts erkennen. Keinen Totenkopf, sondern einen Engelskopf, was Mitte des neunzehnten Jahrhunderts üblicher war.«
    »Jetzt komme ich nicht mehr mit«, meinte Regina und kratzte sich an der Stelle, wo die Mücke sie gestochen hatte.
    Ich fasste das Ganze grob für sie zusammen. »Ein Schädel   – ein Totenkopf   – wurde benutzt, um die eher düsteren Aspekte des Todes darzustellen, wie Sterblichkeit und Buße, während Engelsköpfe und ähnliche Motive eine hoffnungsvollere Aussicht symbolisierten   – die Seele im Flug und die Himmelfahrt.«
    »Die Seele im Flug«, wiederholte Devlin nachdenklich. »Wie die Feder auf dem anderen Grabstein?«
    Da war sie. Die Verbindung zwischen der Leiche, die man letzte Nacht gefunden hatte, und den Skelettresten, die vor weniger als einer Stunde entdeckt worden waren. Keiner von uns sprach ein Wort, aber ich wusste, dass unsere Gedanken in die gleiche unheimliche Richtung gingen.
    Reginas Augen irrten umher.

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