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Totenhauch

Totenhauch

Titel: Totenhauch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Stevens
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auf dem Universitätsgelände hätte dem Ruf der Schule sehr geschadet.«
    Ich kratzte mich in der Armbeuge, wo mich eine Mücke an der einen Stelle erwischt hatte, die ich mit dem Insektenspray nicht behandelt. »Aber welchen Grund sollte die Familie des Opfers haben, sich an einer solchen Vertuschung zu beteiligen?«
    »Die Delacourts gehören zur Hautevolee von Charleston. Falls Sie sich ein bisschen auskennen mit der hochherrschaftlichen Schicht dieser Stadt, dann wissen Sie, dass ein Skandal um jeden Preis vermieden werden muss. Ich habe schon so ziemlich alles gesehen, und trotzdem schockiert es mich immer noch, wie weit diese Leute gehen, um den Namen ihrer Familie zu schützen.«
    »So weit, dass sie einen Mord vertuschen?«
    »Wenn dieser Mord Schimpf und Schande mit sich bringen würde, ja. Afton Delacourt war ein siebzehnjähriges Partygirl. Ein promisker Adrenalinjunkie. Sie hat Drogen genommen und Alkohol getrunken und, wie die Gerüchteküche behauptet hat, mit okkulten Praktiken herumexperimentiert. Das ist ziemlich starker Tobak.«
    Etwas in seiner Stimme, in dem wachsamen Ausdruck seiner Augen, beschleunigte meinen Puls. »Was meinen Sie damit, dass sie mit okkulten Praktiken herumexperimentiert hat. Hat sie so was wie Hexenbretter benutzt? Ouijaboards?«
    »Es war noch ein bisschen finsterer.«
    »Finsterer   … inwiefern?«
    Er antwortete mir nicht.
    »Wie ist sie denn genau gestorben?«, bedrängte ich ihn weiter.
    Seine Stimme blieb ganz ruhig. »Das wollen Sie so genau gar nicht wissen. Glauben Sie mir.«
    Ich erinnerte mich an die Art, wie sein Blick am ersten Abend auf dem Friedhof abgeschweift war, als ich nach der Todesursache fragte. Jetzt fragte ich mich, ob sein Widerstreben, gewisse Aspekte der Morde preiszugeben, sowohl des alten als auch des neuen, mit beruflicher Verschwiegenheit zu tun hatte oder ob es an seiner Erziehung und an seinem Charakter lag, dass er meine Fragen so zurückhaltend beantwortete. Nach dem zu schließen, was ich bisher mitbekommen hatte, war er so etwas wie ein Hüter vergangener Generationen, und es konnte durchaus sein, dass er der Ansicht war, seine Rolle als Beschützer gehe weiter als seine Pflichten als Police Detective.
    Seltsamerweise empfand ich sein altmodisches Verhalten nicht als Beleidigung. Ich glaube, dass es in gewisser Weise zu der mädchenhaften Fantasie passte, die ich in meinen einsamen Jahren ständig mit Jane Eyre und Mr Rochester, Buffy und Angel genährt hatte.
    Das änderte allerdings nicht das Geringste an meiner Entschlossenheit, ihm die ganze Geschichte zu entlocken. Er schien das zu spüren, und zu meinem Erstaunen sprach er weiter, ohne dass ich ihn neuerlich dazu ermuntern musste.
    »Wie gut kennen Sie sich aus mit geheimen Studentenverbindungen?«
    »Eigentlich gar nicht. Ich weiß ein wenig über Skull   & Bones , die Geheimgesellschaft der Yale University. Außerdem weiß ich, dass solche Organisationen oft Begräbnissymbolik benutzen und dass ihre Embleme und Wappen manchmal auf alten Grabsteinen zu finden sind.«
    »Die Symbolik ist wohldurchdacht«, erwiderte er. »Meistens wird sie benutzt, um ein Gefühl von Erhabenheit und Einschüchterung zu erzeugen.«
    »Meistens?«
    Obwohl sein Gesichtsausdruck unverändert blieb, spürte ich, wie sich eine leichte Anspannung auf seine Züge legte, wie sein Mund und sein Kiefer sich kaum merklich verhärteten.
    »Der Geheimbund in Emerson war bekannt unter dem Namen Order of the Coffin and the Claw , Orden des Sarges und der Klaue. Er hatte eine lange Tradition auf dem Campus. Die Treuegelöbnisse für den Orden reichen Generationen zurück. Es gibt Leute, die glauben, dass Afton Delacourt zum Zeitpunkt ihres Todes eine sexuelle Beziehung mit einem Claw hatte und dass er sie auf den Friedhof hier gelockt und sie in einer Art Initiationsritual ermordet hat.«
    Ich spürte Feuchtigkeit in der Brise, die durch das Laub der alten Eichen fuhr. Irgendwie fühlte es sich unheimlich an, wie die kalte nasse Berührung einer Leiche. »Hat man ihn verhaftet?«
    »Außerhalb des Geheimbunds wusste keiner, wer es war, und aus dem Orden hätte keiner einen anderen Claw verraten. Loyalität wird hochgehalten, fast so wie Verschwiegenheit.«
    »Wird? Gibt es diese Verbindung immer noch?«
    »Die Universität hat sie nach dem Mord verboten, aber viele Leute glauben, dass sie sich nicht aufgelöst hat, sondern dass sie nur in den Untergrund gegangen ist und bis heute auf dem Campus ein Schattendasein

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