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Totenhauch

Totenhauch

Titel: Totenhauch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Stevens
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zusammenhingen.
    Obwohl ich das alles wusste, hatte ich keine Angst, mit ihm allein zu sein, vielleicht, weil wir bereits Freunde gewesen waren, bevor ich von dem Mord erfuhr. Ich hatte Zeit gehabt, mir eine Meinung über ihn zu bilden, bevor diese von bestimmten Ereignissen der Vergangenheit hätte erschüttert werden können, und deshalb hatte sich an meinem ersten Eindruck, dass er ein kultivierter, leicht exzentrischer, gebildeter Gelehrter war, nichts geändert. Ich konnte mir einfach nicht vorstellen, dass Rupert Shaw in einen Mord verwickelt war, schon gar nicht in eine Gewalttat, die so brutal war, wie Devlin angedeutet hatte.
    Immer noch sah er mich mit seinen blauen Augen nachdenklich an.
    Ich riss mich zusammen, zügelte meine wirren Gedanken und konzentrierte mich. »Vor zwei Tagen habe ich in Oak Grove etwas gesehen, was ich mir nicht erklären kann. Kurz vor Einbruch der Dämmerung bin ich allein über den Weg gegangen, der zum Eingangstor führt, und da habe ich aus den Augenwinkeln etwas gesehen. Es war wie ein Schemen oder ein Schatten, der über dem Waldrand geschwebt ist. Als ich stehen blieb, um es anzuschauen, schoss das Ding mit solcher Geschwindigkeit und solcher Kraft auf mich zu, dass ich wusste, das kann kein Mensch sein. Es hat mich nicht berührt, aber ichhabe diese grauenvolle Eiseskälte, diese übelriechende Feuchtigkeit gespürt. Übelriechend ist nicht das richtige Wort, denn das würde ja bedeuten, dass es roch. Da war aber kein Geruch. Und trotzdem hatte ich ganz deutlich den Eindruck von etwas Fauligem, etwas   … Verwestem.« Ich hielt inne, um in seinem Gesicht zu lesen. »Gestern habe ich es wieder gesehen. Ich war so etwa sieben, acht Kilometer vom Friedhof in Beaufort County weg, da hatte ich eine Reifenpanne. Ich habe dieses   … Ding, diesen Schemen gesehen   … zwischen den Bäumen und dann noch einmal vor meinem Wagenfenster. Es war ganz kurz da, dann war es wieder weg.«
    »Und Sie sagen, es war beide Male bei Einbruch der Dunkelheit, dass Sie diesen dunklen Umriss am Waldrand gesehen haben?«
    Ich nickte. An einem Ort zwischen den Orten, zu einer Zeit zwischen den Zeiten.
    »Und jedes Mal haben Sie es aus den Augenwinkeln gesehen?«
    »Ist das wichtig?«
    »Es könnte wichtig sein.« Er drehte sich auf seinem Drehstuhl und starrte hinaus in den Garten. »Ich überlege, ob Sie vielleicht etwas gesehen haben, was manche Leute ein Schattenwesen nennen. Eine formlose Masse, die menschliche Gestalt annehmen kann.«
    »Sie meinen wie   … ein Totengeist?«
    »Nein. Das ist eine andere Art von Geistwesen. Fast jeder, dem schon mal ein Totengeist erschienen ist, beschreibt die Erscheinung als nebelig oder schwadenartig, aber einwandfrei als Menschen mit erkennbarer Kleidung und erkennbaren Gesichtszügen. Schattenwesen sind   … na ja, schattenartig, und sie gehen oft einher mit einem Gefühl von Bösartigkeit, was einige Forscher zu der Mutmaßung führt, sie seien dämonischer Natur.«
    » Dämonischer Natur?« Eisige Furcht zerrte an meinen Nerven. Was für eine Tür hatte ich da aufgestoßen?
    Dr. Shaw griff nach einem der Bücher, die auf seinem Schreibtisch lagen, und blätterte darin. »Hier.« Er reichte mir das Buch. »Hat Ihr Geistwesen in etwa so ausgesehen?«
    Ich starrte auf die Zeichnung eines dunklen Wesens mit menschlicher Gestalt und rot funkelnden Augen. »Ob die Augen so aussahen, weiß ich nicht   …« Ich sah mir das Bild noch eine Weile an. »Ich würde sagen, es sah so ähnlich aus   …«
    »Aber im Nachhinein sind Sie jetzt nicht in der Lage, eine genaue Beschreibung zu geben, weil Sie es nicht gut genug sehen konnten.«
    »Nein, ich glaube nicht   …« Ich spürte, dass er auf irgendetwas hinauswollte. »Was meinen Sie?«
    »Ich kann Ihnen mehrere mögliche Erklärungen geben.«
    »Neben der, dass es sich um ein dämonisches Geistwesen handelt? Ich bin ganz Ohr.«
    »Das Schattenwesen, das Sie gesehen haben, könnte die körperliche Manifestation eines Egregors gewesen sein.«
    »Ich habe keinen blassen Schimmer, was das ist.«
    »Ein Egregor ist das Produkt kollektiven Denkens und wird manchmal von Ereignissen geschaffen, bei denen es zu extremem körperlichen oder emotionalen Stress gekommen ist.«
    Wie Mord?, fragte ich mich.
    »Am besten kann man es beschreiben als die übernatürliche Wesenheit einer Gruppe. Eine geistige Wesenheit, die geschaffen wird, wenn Menschen bewusst zu einem gemeinsamen Zweck zusammenkommen. Einige mystische

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