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Totenhauch

Totenhauch

Titel: Totenhauch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Stevens
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Hunderte und Aberhunderte, die dicht gedrängt in Holzregalen standen, auf dem Fußboden aufgestapelt waren, sich auf jedem Zentimeter der Schreibtischplatte türmten. Alte ledergebundene Werke, die nach demSchimmel und dem Wissen von Jahrhunderten rochen, lagen neben zerlesenen Taschenbuchromanen.
    Es war ein Raum, in dem ich mich sehr wohl gefühlt hätte, wenn ich die Klimaanlage hätte richtig einstellen können.
    Dr. Shaw erhob sich, als ich zur Tür hereinkam, und ging auf mich zu, um mich auf beide Wangen zu küssen, bevor er mir bedeutete, auf dem leeren Lederstuhl Platz zu nehmen, der auf der anderen Seite seines Schreibtisches stand. Er hatte seine übliche abgetragene Kluft an: Flanellhose, Weste mit Hahnentrittmuster und ein hellblaues Hemd, dessen Farbe seinen Augen und seinem eindrucksvollen weißen Haarschopf schmeichelte. Er war größer als Ethan, aber von schmächtigerer Statur, und verströmte eine Eleganz, die trotz seiner verschlissenen Kleidung auf ein Leben in Wohlstand schließen ließ.
    Als ich gegenüber von ihm Platz nahm, erinnerte ich mich an unsere erste Begegnung. Irgendjemand hatte ihm das Samara-Video geschickt, und daraufhin hatte er über meinen Blog Kontakt zu mir aufgenommen und mich überredet vorbeizukommen, damit er mir das Institut zeigen könne. Anschließend hatten er und seine Assistentin, die zu seinem Forschungsteam gehörte, mich zum Abendessen eingeladen. Sie studierte noch auf ihren Master, hatte gerade eine Lehrtätigkeit in Übersee angenommen und musste ihre Wohnung auf der Rutledge Avenue während dieser Zeit untervermieten. Da ich zu der Zeit gern nach Charleston ziehen wollte, aber erst noch eine passende Wohnung suchte, hatte ich gefragt, ob ich mir ihre Wohnung ansehen dürfte. Als ich die Wohnung sah, wusste ich sofort, dass das genau das war, was ich brauchte. Eine Woche später war ich dort eingezogen, und als die Assistentin am Ende ihrer Lehrtätigkeit beschloss, nicht zurückzukehren, packte ich ihre persönliche Habe in Kisten, brachte die in den Keller und unterschrieb meinen eigenen Mietvertrag. Ich hatte dort in vollkommener Harmonie gelebtbis   … bis Devlins Geisterkind in meinem Garten aufgetaucht war.
    Aber das war nicht der Grund für meinen Besuch.
    Nachdem wir ein paar Nettigkeiten ausgetauscht hatten, legte Dr. Shaw die Fingerspitzen unter dem Kinn aneinander und sah mich forschernd an. »Was kann ich für Sie tun? Am Telefon klangen Sie ein bisschen geheimnisvoll.«
    »Ich hoffe, dass Sie mir eine plausible Erklärung liefern können   … oder überhaupt irgendeine Erklärung   … für das, was ich unlängst gesehen habe   …« Ich brach ab, weil ich nicht genau wusste, wie ich weitermachen sollte. Über die Geister wollte ich ihm nichts erzählen. Bis zu meinem Gespräch mit Essie hatte ich immer nur mit Papa über die Erscheinungen gesprochen, die ich sah, mit niemandem sonst. Für Stillschweigen und Geheimhaltung gab es zwar keine besondere Regel, doch das verstand sich immer von selbst.
    Das neue Wesen, das ich plötzlich sah, war eine andere Geschichte. So etwas hatte ich noch nie zuvor gesehen, und ich wusste nicht, wie ich mich davor schützen sollte.
    Ich lehnte mich in meinem Stuhl zurück und zwang mich, mich zu entspannen. Es war nicht einfach, offen über ein paranormales Erlebnis zu sprechen, nicht einmal mit jemandem wie Dr. Shaw. Ich fühlte mich dadurch bloßgestellt und der Lächerlichkeit preisgegeben.
    »Sie wissen doch, dass ich auf dem Friedhof von Oak Grove arbeite«, fing ich schließlich an. »Eigentlich hat Ethan mir erzählt, dass Sie zu dem Ausschuss gehören, der den Auftrag an mich vergeben hat. Dafür möchte ich Ihnen danken.« Abwehrend bewegte er einen Finger. »Ihre Arbeit spricht für sich.«
    »Trotzdem, ich danke Ihnen für das Vertrauen, das Sie mir damit entgegenbringen.«
    Er senkte den Kopf und wartete geduldig, dass ich auf den Grund für meinen Besuch zu sprechen kam.
    »Ich nehme an, dass Sie schon von dem Mordopfer gehört haben, das in einem der Gräber gefunden wurde. Es stand in allen Zeitungen, und in den Nachrichten   …«
    Er schwieg weiter. Ich fragte mich, ob er das Gleiche dachte wie ich, nämlich dass man vor fünfzehn Jahren auf dem selben Friedhof ein anderes Mordopfer gefunden hatte. Die Polizei hatte ihn im Zusammenhang mit dem Mord an Afton Delacourt verhört, und laut Temple hatte Emerson ihn aufgrund von gewissen Gerüchten entlassen, die mit diesem Verbrechen

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