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Totenhauch

Totenhauch

Titel: Totenhauch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Stevens
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jemand hinter mir her wäre. Jemand mit einer schwarzen Seele, der mit den Toten geht. Dann hat sie mir das Amulett gegeben. Ich solle es unter mein Kopfkissen legen, um die bösen Geister fernzuhalten.«
    Er gab mir den kleinen Beutel zurück, und ich steckte ihn wieder in meine Tasche.
    »Es ist gut möglich, dass sie Ihnen, wie Sie befürchten, ein leichtes Halluzinogen in den Tee getan hat. Und es ist auch möglich, dass Sie ein Phänomen erlebt haben, das man Hypnagogie nennt   – einen Klartraum. Interessanterweise könnte das auch die Erklärung für Ihre Schattenwesen sein. Ein Mensch kann wach und sich seines Umfelds bewusst sein und sich trotzdem in einem traumartigen Zustand befinden, bei dem das Unterbewusstsein gewisse Impulse überträgt, die als sich bewegende Schatten oder sogar als fremdartige Stimmen interpretiert werden können. Dieser Zustand wird oft von düsteren Gefühlenbegleitet   – Furcht und Paranoia –, und er wird genommen, um eine Vielzahl von paranormalen Erfahrungen zu erklären, unter anderem Geister und die Entführung durch Außerirdische.«
    Betrübt lächelte ich ihn an, steckte die Schachtel mit Ewigem Leben zurück in meine Handtasche und stand auf. »Jetzt kommen Sie mir schon wieder mit so logischen Erklärungen.«
    »Glauben Sie mir, ich wünsche mir nichts mehr, als dass man mich widerlegt.« Er erhob sich und begleitete mich nach draußen. »Diese Fälle, für die man keine befriedigende Erklärung findet, sind es, die dafür sorgen, dass ich mich hier herumplage, tagaus, tagein, Jahr für Jahr. Parapsychologie kann ein sehr frustrierendes und oft auch sehr einsames Arbeitsfeld sein.«
    Als er mir an der Tür die Hand gab, fiel mir wieder der Onyxring an seinem kleinen Finger auf. »Ihr Ring fasziniert mich immer noch«, sagte ich. »Das Symbol ist so ungewöhnlich, und trotzdem habe ich das Gefühl, als hätte ich es schon mal irgendwo gesehen. Vielleicht auf einem Grabstein.«
    »Das ist gut möglich. Ich weiß nichts über die Herkunft des Ringes. Er ist mir eines Tages auf einem Flohmarkt ins Auge gefallen, und seitdem trage ich ihn.«
    Auf einem Flohmarkt.
    Ich schüttelte leicht den Kopf bei dieser neuesten Version. »Nochmals vielen Dank für Ihre Hilfe.«
    »Falls Sie noch mehr solche Erlebnisse haben, rufen Sie mich bitte sofort an«, meinte er und fügte in hoffnungsvollem Ton hinzu: »Es besteht immer die Möglichkeit, dass ich mich irre und dass Sie tatsächlich von einer dämonischen Erscheinungsform heimgesucht werden.«

EINUNDZWANZIG
    Auf dem Heimweg vom Institut nahm ich eine mir bis dahin unbekannte Route und geriet in der Nähe des Old City Market in einen Stau. Für Autofahrer war diese Ecke ein Albtraum, aber für Touristen war es ein Paradies aus Verkaufsständen drinnen und draußen, wo man alle möglichen Souvenirs aus dem Lowcountry bekommen konnte: von T-Shirts über Körbe aus Seegras bis hin zu Cornrows , der aus Afrika stammenden Flechtfrisur aus vielen dicht am Kopf anliegenden Zöpfchen.
    Eingekeilt zwischen einem Velotaxi und einem verrosteten Toyota kroch ich die Church Street entlang und ließ dabei den Blick über den Kirchhof von St. Philip schweifen, der Heimstatt einiger der ältesten und kunstvollsten schmiedeeisernen Tore der Stadt sowie den zweimal exhumierten sterblichen Überresten von John C. Calhoun. Hier waren die Grabsteine in hervorragendem und der Friedhof selbst in einwandfreiem Zustand, doch was mich an der St.-Philips-Kirche am meisten faszinierte, war ihre ungewöhnliche Anlage: Es gab hier zwei voneinander getrennte Friedhöfe, die unter den Beinamen »Vertraute« und »Fremde« bekannt waren; der eine war für die Gemeindemitglieder, die in Charleston geboren waren, der andere für diejenigen, die nicht von hier waren.
    Es hieß, dass der Friedhof vom Totengeist einer jungen Frau heimgesucht werde, die ihr totgeborenes Baby betrauerte. Touristen und auch Einheimische hatten im Laufe der Jahre eineReihe von Sichtungen gemeldet, und angeblich war es mindestens einem professionellen Fotografen gelungen, den Geist auf einem Film festzuhalten. Ich selbst hatte bei meinen Besichtigungen von St. Philip noch nie einen Blick auf sie erhascht.
    Das Velotaxi fuhr nur noch im Schneckentempo, damit die aufgeregten Fahrgäste mit ihren Handys Fotos schießen konnten. Ich wurde immer ungeduldiger, weil ich endlich nach Hause wollte, um den Rest des Tages allein mit Google zu verbringen.
    Egregore, Schattenwesen, Pareidolie  

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