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Totenhauch

Totenhauch

Titel: Totenhauch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Stevens
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– Dr. Shaw hatte mir ein paar exotische Häppchen zum Nachdenken serviert, und ich musste dahingehend einiges recherchieren.
    Seine Theorien über optische Täuschungen beziehungsweise Klarträume hatten mich noch nicht überzeugt, doch ich wusste besser als irgendjemand sonst, dass Logik zuweilen mit Vorsicht zu genießen ist. Seine Erklärungen waren in jedem Fall leichter zu verdauen als die Vorstellung, dass irgendeine dunkle Wesenheit hinter mir her war.
    All diese Gedanken kreisten in meinem Kopf, während ich mit den Fingern auf das Steuerrad trommelte und darauf wartete, dass ich endlich abbiegen konnte. Zentimeterweise quälten wir uns die Straße hinunter, und ich schaute zufällig genau in dem Moment aus dem Seitenfenster, als Devlin aus seinem Wagen stieg und auf ein kleines Fischrestaurant mit einer tropisch begrünten schattigen Veranda zusteuerte.
    Bis vor ein paar Tagen hatte ich diesen Mann noch nie gesehen, und jetzt traf ich ihn plötzlich überall. Es war ein Phänomen, das befremdlich, beglückend und beängstigend zugleich war.
    Mein Leben lang hatte man mir eingebläut, ich solle nicht auf äußere Reize reagieren und nicht impulsiv handeln. Daher entsprach es ganz und gar nicht meinem Charakter, dass ich jetzt verbotenerweise abbog, einmal um den ganzen Häuserblock fuhr und dann auf den Parkplatz des Restaurants schoss, dass der Schotter nur so spritzte.
    Devlin hatte sich schon auf die Terrasse gesetzt, und er blickte von der Speisekarte auf, als ich an seinen Tisch trat.
    »Ich hoffe, ich störe Sie nicht«, sagte ich mit der Ungezwungenheit und dem Selbstvertrauen eines Teenagers, der sich an seinen ersten Schwarm heranmacht. »Ich habe gesehen, wie Sie hergefahren sind, und dachte, ob ich wohl kurz mit Ihnen reden könnte.«
    »Setzen Sie sich.« Sein Gesichtsausdruck war völlig neutral. Ich hätte nicht sagen können, ob er über mein überraschtes Auftauchen verärgert war oder erfreut oder ob es ihm schlichtweg gleichgültig war.
    Die Kellnerin kam und fragte, ob sie mir eine Speisekarte bringen solle.
    »Oh, für mich bitte nur einen Eistee, vielen Dank.«
    Devlin zog eine Augenbraue hoch. »Sie essen nichts?«
    »Ich will Sie nicht beim Essen stören. Ich dachte, wir könnten uns kurz unterhalten, während Sie auf Ihr Essen warten.«
    »Wie Sie wollen.« Er wandte sich zu der Kellnerin und ratterte seine Bestellung herunter   – eine Portion Shrimps, Hush Puppies und ein Palmetto Amber .
    Ich nutzte die Gelegenheit, als er mit der Kellnerin redete, um ihn im Profil zu betrachten. Die Nase, die Kinnpartie   … die dunkle Stelle unter seiner Unterlippe. Inzwischen hatte ich mich sogar an seine Narbe gewöhnt, und jetzt wirkte die tiefe Einkerbung weniger wie eine Unvollkommenheit, sondern eher wie ein faszinierendes Geheimnis.
    Sein weißes Hemd stach scharf ab von seiner sonnengebräunten Haut, und das erinnerte mich an den Traum, den ich von ihm gehabt hatte, und daran, wie ich im Traum bewundert hatte, dass sich seine Hautfarbe so stark von der Mariamas abhob.
    Plötzlich sah er mich an, und ich fragte mich, was er wohlgerade dachte. Konnte er hinter meine Zurückhaltung schauen, hinter die Fassade des vernünftigen Mädchens? Spürte er das Brodeln dieser unbekannten Leidenschaft, die mir selbst fremd und auch verboten war?
    Er hatte etwas gesagt, während ich in meinen Fantasien versunken gewesen war, und ich errötete. »Es tut mir leid. Ich war mit meinen Gedanken gerade ganz woanders.«
    »Sie wirken tatsächlich ein wenig zerstreut.« Prüfend sah er mir ins Gesicht. »Was ist los?«
    An seine Narbe hatte ich mich vielleicht gewöhnt, aber der weiche Klang seiner Stimme hatte immer noch eine verwirrende Wirkung auf mich.
    »Ich wollte Ihnen nur noch einmal danken, dass Sie mich gestern Abend gerettet haben.«
    »Dafür brauchen Sie mir nicht immer wieder zu danken. Sie hätten für mich genau das Gleiche getan.«
    »Ja, ich weiß. Aber wenn Sie nicht genau in dem Moment vorbeigekommen wären, hätte ich unter Umständen stundenlang da draußen festgesessen.« Die Bilder, die mir plötzlich durch den Kopf schossen, nahmen mir meine gespielte Leichtigkeit, und ich begann, trotz der Hitze des Spätnachmittags, zu frösteln. »Alles Mögliche hätte passieren können.«
    »Irgendwann wäre der Abschleppwagen schon gekommen.«
    »Kann sein. Aber bis dahin wäre es vielleicht zu spät gewesen.«
    Der tief hängende Deckenventilator zerzauste seine dunklen Haare, während er

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