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Totenhauch

Totenhauch

Titel: Totenhauch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Stevens
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Rücken, aber trotzdem fröstelte ich unablässig. Grauenvolle blutige Bilder schossen mir durch den Kopf. Tropfende Leichen, die im Schlachthof an einem Fleischhaken hingen. Ich versuchte die schaurige Vision ebenso wegzublinzeln wie die schwarzen Punkte, die vor meinen Augen tanzten. »Was für eine Art von Monster würde so etwas tun?«
    Devlins Stimme zeigte keine Regung, und auch seine Miene war ausdruckslos, doch ich sah etwas in seinen Augen, das mir Angst machte. »Ich schätze, er ist Jäger.«

FÜNFUNDZWANZIG
    Darauf konnte ich nichts sagen. Der eisige Schauer, der mich überlief, war durchdringender als die Berührung eines Totengeistes.
    Devlin sah mich mitfühlend an, während ich um Fassung rang. »Sind Sie okay?«
    Ich nickte und blickte hinauf zum Himmel, versuchte, mich auf eine kleine Wolke zu konzentrieren, durch die das Sonnenlicht brach. Sie war leuchtend und ätherisch und erinnerte mich an einen der tanzenden Engel in Rosehill.
    Nachdem ich noch einmal zitternd Atem geholt hatte, nickte ich wieder, nicht nur um Devlin zu beruhigen, sondern auch mich selbst. »Es geht mir gut.«
    Aber es ging mir natürlich nicht gut. Wie hätte es mir auch gut gehen sollen, wo ein sadistischer Wahnsinniger mich vielleicht schon im Visier hatte? Ich dachte an diese Grabinschriften, die man auf meinem Blog veröffentlicht hatte   – Botschaften oder eine Warnung?
    Ich dachte an diese schwarze Limousine   – Zufall oder verfolgte mich jemand?
    »Worüber denken Sie nach?«, wollte Devlin wissen.
    »Wie es ist, wenn man gejagt wird.«
    Unendlich lange schaute er zu mir herunter. Ich dachte schon, er würde mir vielleicht etwas Trost spenden, vielleicht meine Hand nehmen, mir auf die Schulter klopfen oder   – wasich eigentlich wollte   – mich in den Arm nehmen. Er tat nichts dergleichen, doch in seinem Blick lag etwas Ungezähmtes, das mich innerlich erbeben ließ. Es sagte mir, dass der Jäger bald zum Gejagten wurde.
    Vielleicht war Trost ja gar nicht das, was ich wollte.
    »Sie müssen sich mit dieser Sache nicht weiter befassen, wissen Sie? Sie können sich einfach umdrehen und nach Hause gehen und das alles vergessen«, sagte Devlin. »Sie haben hier keinerlei Verpflichtungen.«
    »Und wenn ich an dem besagten Tag doch etwas gesehen habe? Wenn das, was ich über Friedhöfe weiß, wirklich der Schlüssel ist? Sie haben selbst gesagt, dass Sie einen Durchbruch in dem Fall brauchen, damit man nichts vertuscht.«
    »Das ist nicht genau das, was ich gesagt habe.«
    Ich zuckte mit den Achseln. »Aber so ungefähr. Ich kann zwischen den Zeilen lesen.«
    »Sieht ganz so aus.«
    »Darf ich Sie etwas fragen?«
    »Ja. Aber ich kann Ihnen nicht sehr viel mehr sagen.«
    »Sie haben gestern gesagt, wenn ich eine Frage über Ihr Privatleben hätte, dann sollte ich Sie einfach fragen. Also frage ich jetzt.«
    Ich konnte seinen Argwohn spüren, aber er nickte. »Und was möchten Sie wissen?«
    »Es geht um die Studenten, die sich nach Aftons Tod gemeldet haben. Und die über Dr. Shaws Séancen und seine Theorie über den Tod geredet haben.«
    »Was ist mit denen?«
    Ich zögerte einen Moment und überlegte, wie ich es wohl am besten ausdrücken sollte. Ich beschloss, nicht um den heißen Brei herumzureden. »Gehörte Ihre Frau zu diesen Studenten?«
    »Damals war sie noch nicht meine Frau. Aber um Ihre Frage zu beantworten: Ja, sie war bei einer von Shaws Séancen dabei.Und das hat sie so verstört, dass sie es kein zweites Mal getan hat.«
    »Was ist passiert?«
    »Sie fand es abstoßend, was Shaw zu tun versucht hat. Ihrer religiösen Überzeugung nach nimmt die Kraft eines Menschen mit dem Tod nicht ab. Durch ein schlimmes oder durch ein plötzliches Ende kann eine Seele sehr wütend werden und ihre Kraft dazu benutzen, auf das Leben der Lebenden negativ einzuwirken. Sie manchmal sogar zu ihrem Sklaven machen. Die Aussicht, Tote zurückzuholen, hat sie in Angst und Schrecken versetzt.«
    Ich konnte die tragische Ironie dieser Äußerung kaum fassen.
    »Sie war eine sehr abergläubische Frau«, fuhr Devlin fort. »Sie trug Amulette, die ihr Glück bringen sollten, hat alle Fenster und Türen im Haus mit blauer Farbe angemalt, um böse Geister abzuwehren. Ich fand das entzückend   … am Anfang   …«
    Vor meinem geistigen Auge sah ich das Amulett, das unter meinem Kopfkissen lag, und spürte die Kühle des Steins, den ich um den Hals trug. Und ich fragte mich, was Devlin wohl von den Regeln halten würde, die

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