Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Totenhaut

Titel: Totenhaut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Simms
Vom Netzwerk:
sich bereit erklärt, Alice nach der Feier abzuholen.
    Als er in dem Weinlokal ankam, sah er gleich, dass sie einen ausgelassenen Abend verbracht hatten. Auf dem Tisch standen jede Menge leere Flaschen herum, und alle saßen mit vom Suff entgleisten Zügen da. Jon hatte sich neben Melvyn und Alice gesetzt. Als Melvyn ihn erkannte, stellte er ihn allen vor und griff sofort nach einer Flasche Wein, um auch Jon ein Glas einzuschenken.
    »Nur ein kleines«, hatte Jon lächelnd gesagt, seine ausgestreckte Hand mit der Handfläche nach unten haltend.
    »Blödsinn. Ruft euch ein Taxi«, antwortete Melvyn und füllte das Glas randvoll.
    Jon schüttelte den Kopf, das Grinsen noch immer im Gesicht. »Es würde Stunden dauern, euch einzuholen, und die machen in zehn Minuten zu.«
    Alice war an seine Schulter gesunken, fummelte an einer Packung Zigaretten herum und setzte ihre Debatte mit Melvyn da fort, wo Jons Ankunft sie unterbrochen hatte. Wer denn nun den größten Sex-Appeal habe: Ewan McGregor, Johnny Depp oder Keanu Reeves.
    Mensch, wird die morgen einen Kater haben, dachte Jon, zündete sich selbst eine Zigarette an und sah sich um. Fiona saß am anderen Ende des Tisches, ein Glas Wein umklammernd und in ein ernsthaft wirkendes Gespräch mit der Frau neben ihr vertieft.
    Auf einmal stellte er fest, dass er Fiona eingehend betrachtete.
    Eigentlich wäre sie eine hinreißende Erscheinung gewesen, aber etwas war an ihr, das diesen Eindruck beinahe zunichte machte. Ihr Gesicht war angenehm proportioniert, keine einzelnes Merkmal, das die anderen störend überlagert hätte. Ihr hellbraunes Haar war professionell geschnitten, wahrscheinlich von Melvyn, wie Jon annahm. Sie trug ein blassblaues Kaschmiroberteil, der Ausschnitt gerade tief genug, um den Blick auf eine glitzernde Halskette freizugeben.
    Doch der Gesamteindruck wurde irgendwie beeinträchtigt. Jederzeit bereit, den Blick abzuwenden, sobald der ihre in seine Richtung ging, studierte er sie noch aufmerksamer. Waren es ihre Augenbrauen? Hatte sie beim Zupfen vielleicht ein wenig übertrieben? Den Eyeliner zu grob aufgetragen?
    Dann dämmerte es ihm plötzlich. Der negative Eindruck kam nicht von einer bestimmten Einzelheit, es war ihr ganzer Gesichtsausdruck, verstärkt durch die Linien an ihren Augen- und Mundwinkeln. Alles zeigte nach unten, und die Haut unter ihrem Kinn wirkte lose und schlaff. Ihr Gesicht ließ die langsame und kumulative Wirkung von Schmerz erkennen. Einen ähnlich abgehärmten Ausdruck hatte er bei seinem Großvater gesehen, als der Krebs vollkommen Besitz von ihm ergriffen hatte. Jon überlegte gerade, was wohl an ihr nagte, als plötzlich ein unruhiges Flackern in ihren Blick trat.
    Er schaute nach rechts und sah einen bulligen Mann an der Tür stehen. Seine Arme waren gekreuzt, und ein ausladender Bauch hing ihm über den Gürtel. Er nickte Richtung Tür, und Jon sah die Autoschlüssel, die er in einer Hand hielt.
    Sofort tastete Fiona nach ihrer Tasche und verabschiedete sich hastig von der Kollegin, mit der sie sich unterhalten hatte. Melvyn registrierte ihre Bewegung und sah sich nach einer Erklärung um. Als er den Mann an der Tür sah, rief er ihm sarkastisch entgegen: »Jeff! Schön, Sie zu sehen. Trinken Sie noch schnell einen mit uns?«
    Der Mann blieb, wo er war und schüttelte nur den Kopf.
    »Ja, und du mich auch«, murmelte Melvyn.
    Fiona stand jetzt bereits, ihre Aufregung und Verlegenheit waren nicht zu übersehen. »Bis Montag, alle miteinander«, verabschiedete sie sich. Sie hatte schon leichte Schwierigkeiten beim Sprechen.
    Melvyn stand auf und umarmte sie, dann sah er mit gequälter Miene zu, wie sie durch das Lokal und zur Tür hinaus torkelte. Jon blickte in die Runde und sah ähnliche Regungen in den Mienen aller anderen.
    Seufzend setzte Melvyn sich wieder. »Verfluchtes Arschloch.«
    »Ist das Fionas bessere Hälfte?«, fragte Jon.
    Doch seine Frage war unbeantwortet geblieben, denn der ganze Tisch hatte angefangen, sich darüber zu unterhalten, warum sie bei ihm blieb.
    Eine Frau betrat das Café. Sie trug ein seltsames Durcheinander von Kleidern, ihr Haar war in die Stirn gekämmt, und sie versuchte, den Kopf gesenkt zu halten, während sie sich rasch im Lokal umblickte. Ihre Blicke trafen sich. Im selben Moment, als er sie erkannte, bemerkte Jon auch die Verletzung in ihrem Gesicht. Er hob eine Hand hoch.
    Sie kam zu ihm. »Woher wussten Sie, dass ich es bin?«
    »Wir sind uns mal vorgestellt worden. Ich habe

Weitere Kostenlose Bücher