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Totenhaut

Titel: Totenhaut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Simms
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Tisch, und erneut wurde sein Blick von dem Klumpen trocknender Farbe angezogen. Ein Gespräch mit Carol Millers Mutter drängte sich ihm wieder ins Gedächtnis.
    Er hatte sie gefragt, in welcher seelischen Verfassung ihre Tochter gewesen sei. Ob sie glücklich gewesen sei. Die alte Dame hatte geantwortet, dass ihre Tochter seit der Geburt ihres Sohnes unzufrieden mit ihrer Figur gewesen sei. Sie hatte alle möglichen Diäten ausprobiert, aber es nie geschafft, die zwölf Kilo loszuwerden, die sie während ihrer Schwangerschaft zugelegt hatte. Damals hatte Jon der weitschweifigen Antwort nicht viel Aufmerksamkeit geschenkt und, die nächste Frage schon auf den Lippen, nur darauf gewartet, dass sie zu einem Ende kommen würde. Doch jetzt nahm er ihre Worte genauer unter die Lupe.
    Die alte Dame hatte gesagt, Carol habe es mit den Weight Watchers und einer Suppendiät versucht, doch erst vor kurzem sei sie nach Hause gekommen von der Arbeit, wo sie etwas gesehen hatte, das sie neue Hoffnung hatte schöpfen lassen.
    »Ali?«, rief er. »Der Bauchtrainer von deiner Freundin Chloe. Du hast gesagt, sie hat ihn über das Schwarze Brett im Krankenhaus verkauft.«
    »Ja.« Ihre Stimme drang aus dem Wohnzimmer zu ihm hinauf.
    Jon starrte auf den Anzeigenteil der Zeitung. Direkt neben der letzten Spalte der Rubrik »Gesundheit und Schönheit« fing die Rubrik »Kontakte« an: eine Anzeige nach der anderen für Massagen, Saunas und Begleitservices. Er warf noch einmal einen Blick auf »Gesundheit und Schönheit«: jede Menge ungewollter Mountainbikes, Hometrainer, Ministepper, Rudergeräte, Power Slider und Flexi Steps. Zynisch lächelte er über die Nachbarschaft der beiden Rubriken: Wenn alle Versuche zur Erlangung einer attraktiven Figur scheiterten, war es nur ein Katzensprung, und schon konnte man sich Sex kaufen.
    Im Wohnzimmer hockte er sich hin und kraulte seinem Boxer die Ohren. »Dieses Schwarze Brett im Krankenhaus, wo hängt das denn? Am Empfang?«
    Alice legte das abgerissene Stück Zeitung auf den Tisch.
    »Nein, das ist im Aufenthaltsraum fürs Personal in der Notaufnahme, glaube ich. Ich weiß, dass die alles Mögliche da hinhängen. So hat sie auch ihre Wohnung gefunden. Einer der Ärzte hat die angeboten.«
    »Glaubst du, dass jede Abteilung im Krankenhaus eines hat?«
    »Die meisten wahrscheinlich. Warum, woran denkst du?«
    Er versuchte, so beiläufig wie möglich zu antworten. »An nichts Besonderes. Es hat mich nur auf eine Idee gebracht.«
    »Zu diesem Fall, an dem du gerade arbeitest?« Ihre Stimme war leiser geworden. Im Vorjahr hatte Jons Verfolgung des Kaugummimörders seine Familie in extreme Gefahr gebracht. Um das eigentliche Wesen seiner Arbeit machten sie beide in ihren Gesprächen immer noch einen ängstlichen Bogen.
    Jon nickte und stand auf. »Ich muss noch mal schnell raus. Dauert nicht lang.«
    Alices Blick glitt zur Uhr auf dem Videorekorder. »Um halb neun am Abend? Kann das nicht bis morgen warten?«
    Doch diese Idee hatte ihn so elektrisiert, dass er sie nicht ignorieren konnte. »Ich bin ja gleich wieder zurück.«
    Sie stieß einen tiefen Seufzer aus, und Punch, der ihre Frustration quer durch den Raum wabern fühlte, sah auf.
    »Dann wasch dir wenigstens die Farbe von den Händen.«
    Er stand in der Küche an der Spüle, eine Hand unter dem Wasserstrahl, und sah zu, wie das Rot sich in den Abfluss schlängelte. Bis jetzt hatte sein Eintauchen in Carol Millers Leben wenig zutage gefördert. Seit ihr Ehemann zwei Monate nach der Geburt des Babys verschwunden war, hatte sie sich mit keinem Mann getroffen. Die Großmutter musste weit öfter auf Davey aufpassen, als sie vorgehabt hatte – Carols Einkommen war drastisch gesunken, und sie war gezwungen gewesen, auf der Entbindungsstation des Krankenhauses Stepping Hill in letzter Minute für andere Hebammen einzuspringen, wenn es wieder einmal an Personal fehlte. Üblicherweise war das an Wochenenden und am Abend.
    Sie hatte zwar noch das Reihenhaus in Bredbury, doch es fiel ihr immer schwerer, die Miete zusammenzukratzen. Ihre Mutter hatte damit gerechnet, dass Carol sehr bald fragen würde, ob sie wieder zu ihr ziehen könne. Bis sie im Belle Vue Park gefunden wurde. Neben sich einen Großteil ihrer abgezogenen Haut.
    Er trocknete sich die Hände am Geschirrtuch ab, zog eine Jacke über sein altes Rugbytrikot und steckte seinen Dienstausweis in die Brusttasche. Auf dem Weg zur Haustür blieb er vor der Wohnzimmertür stehen. Punchs große

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