Totenhaut
ihnen hoch. Jon war darauf bedacht, ein fragendes Lächeln aufzusetzen, obwohl er in seinem Inneren jedes Mal panisch wurde, wenn sich in Alices Körper etwas bewegte, auf das sie keinen Einfluss hatte. Er ließ seine Hand noch ein paar Sekunden auf ihrem Bauch liegen. »Nein. Das Kleine muss eingeschlafen sein.« Mit schlechtem Gewissen und dennoch erleichtert zog er seine Hand aus dem Morgenmantel, ging in die Küche und öffnete eine Dose Bier.
Kaum hatte er sich hingesetzt, legte Punch sich auf den Linoleumboden und bettete seinen Kopf auf Jons Fuß.
»Hast du Fiona angerufen?«
Jon seufzte. »Hab sie angerufen, getroffen und bin in dieses Motel gefahren. Sie ist ein ganz schöner Sturschädel, was?«
Alice grinste. »Fiona? Ja, sie hat einen ausgeprägten Sinn für Gerechtigkeit.«
»Und warum bleibt sie dann bei einem Ehemann, der sie schon so lang durch die Gegend prügelt?«
Alices Miene verfinsterte sich. »Das haben wir uns im Salon auch schon oft gefragt. Du solltest sie mal hören, wenn sie eine Kundin zur Schnecke macht, die ihren Termin nicht einhält. Da ruft sie gleich an und fragt, warum sie sich nicht blicken lässt. Und dann geht sie heim und verwandelt sich in das unterwürfige Weibchen dieses Kerls.«
»Was, zum Teufel, sieht sie in ihm?«
Alice fuhr sich mit den Händen durch ihr langes Haar.
»Ich glaube nicht, dass es von Anfang an so schlimm war. Sie wollte nie darüber reden – aus Stolz wahrscheinlich –, aber ich glaube, dass sie eine Zeit lang ganz glücklich waren. Weiß der Himmel, was dann schiefgegangen ist.«
Er strich mit einem Finger die Bierdose entlang. »Ist Alkohol ihr Problem?«
»Warum fragst du?«
»Die Frau in dem Motel, wo sie übernachtet hat, hat gesagt, sie hätte eine Menge Cognac weggeschluckt, und als ich sie vorhin angerufen habe, hat sie gelallt.«
Alice nickte. »Sie kommt manchmal zu spät zur Arbeit. Hat immer eine plausible Ausrede, aber hin und wieder riecht man’s an ihrem Atem. Wenn unser Salon zu einer dieser großen Ketten gehören würde, wäre sie ihren Job wahrscheinlich schon los. Sie hat Glück, dass Melvyn gern mal ein Auge zudrückt.«
»Na ja, jedenfalls ist sie felsenfest davon überzeugt, vergangene Nacht etwas gehört zu haben. Und sie war alles andere als zufrieden, als ich ihr sagte, dass ich nicht viel tun kann.«
»Und kannst du wirklich nicht?«
Er nahm einen langen Schluck und erschauerte beinahe, als ihm das eiskalte Bier die Kehle hinunterlief und in den Magen platschte. »Ich glaube eigentlich nicht, dass sie mehr gehört hat, als ein bisschen heftiges Vögeln.«
»Warum nicht?«
Er fuhr mit einem Nagel unter die Lasche der Dose, zog sie hoch und ließ sie mit einem Ping! zurückschnalzen.
»Sie hat nur was gehört. Es gibt keinen Hinweis auf irgendetwas anderes. Die Rezeptionistin sagte, sie hat nichts gesehen, und ich glaube ihr. Hab ihr zwar nicht alles abgenommen, was sie mir erzählt hat, aber das schon. Alles, was Fiona in der Hand hat, ist das hier.« Er schnippte die Karte von Cheshire Consorts auf den Tisch. »Die könnte schon Wochen, wenn nicht Monate in diesem Zimmer gelegen haben, wenn man sich ansieht, in welchem Zustand diese Bude ist. Ein Name, der wahrscheinlich erfunden ist, und eine ins Leere laufende Handynummer, die auf niemanden eingetragen ist.«
Alice nagte an ihrer Lippe. »Na dann. Ich nehme an, sie wird’s bald aufgeben. Sie hat mit ihrem eigenen Leben schon genug zu tun.«
Jon trank noch einen Schluck Bier. »Die andere große Sache ist, dass ich mir nicht darüber klar werde, ob mein neuer Partner alles, was ich tue, brühwarm McCloughlin weitererzählt.«
Alice verdrehte die Augen. »Du glaubst, er schmollt noch immer wegen …« Sie sprach nicht weiter, wollte nicht an den Fall rühren, der letzten Sommer beinahe zu viel von ihnen gefordert hatte.
»Ist nur so ein Gefühl, aber irgendwie schon.«
Alice blies sich eine Strähne ihres blonden Haars aus den Augen. »Dieses Arschloch.«
Er lächelte kläglich. »Ach ja, und da ist noch was mit meinem neuen Partner. Er ist schwul.«
»Und?«
Jon betrachtete seine Knöchel.
»Ich bitte dich. Erzähl mir jetzt bloß nicht, du siehst deine Männlichkeit durch eventuelle unzüchtige Anträge seinerseits bedroht.«
Jon zupfte wieder an der Dosenlasche. »Also, ich weiß nicht. Es macht alles ein bisschen schwierig, das musst du doch zugeben.«
»Warum? Nur in deinem Kopf macht es alles schwierig. Bild dir doch nichts ein! Ein
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