Totenhaut
dem Empfang und kam gleich darauf wieder. »Nein, in diesem Zimmer nicht.«
Jon dachte über diese Information nach. Gordon musste irgendwann zurückgekommen sein, seine Sachen gepackt haben und weitergefahren sein. Er deutete auf die Überwachungskamera über dem Eingang. »Heben Sie die Bänder der vergangenen Tage auf?«
Sie nickte. »Nur von den letzten zwei Wochen. Aber ich bräuchte die Erlaubnis von der Zentrale, wenn Sie eines haben wollen. Sie sind jetzt leider weggeschlossen.«
Jon klopfte mit einem Finger auf den Tresen. Er kam immer mehr zu der Überzeugung, dass Gordon Dean schlicht und einfach durchgebrannt war. Andererseits wusste er nur zu genau, dass McCloughlin ihm bei diesem Fall genau auf die Finger schauen würde. »Also, um genau zu sein, Kristina, könnten wir das Band jetzt auf der Stelle beschlagnahmen. Aber machen Sie sich keine Sorgen, mir reicht es, wenn Sie einfach anfragen, ob wir uns das Band von gestern ausleihen dürfen.«
9
J
on klickte die Mine seines Kugelschreibers weg und warf ihn auf den Unterlagen- und Nachrichtenstapel auf seinem Schreibtisch. Eine dieser Nachrichten teilte ihm mit, was die Überprüfung der Handynummer, die ihm von Fiona Wilson mitgeteilt worden war, ergeben hatte. Die Nummer gehörte zu einer Pay-as-you-go-Karte und war nicht zurückzuverfolgen. Es war fast zehn Uhr abends und die Einsatzzentrale so gut wie leer.
»Ich mach jetzt Schluss«, verkündete er.
Rick streckte die Arme über den Kopf. »Ja, gute Idee.« Er schob ein Bündel Formulare beiseite. »Das kann auch bis morgen warten. Ich hätte nie gedacht, dass es so lange dauert, bis man die Kreditkartenabrechnungen von jemandem bekommt.«
»Das ist der Datenschutz«, sagte Jon. »Noch mehr Papierkram für uns.« Er stand auf. Da sah er die Karte von Cheshire Consorts, die noch immer auf seinem Tisch lag. Mist! Er hatte Fiona versprochen, sich um das Motel zu kümmern. »Eine Sache muss ich noch erledigen«, erklärte er und setzte sich wieder.
Rick stand unschlüssig da, das Sakko über dem Arm.
»Noch immer dieser Gefallen, den ich der Freundin meiner Freundin versprochen habe. Ich habe gesagt, ich frage in dem Motel nach, in dem sie übernachtet hat. Gehen Sie ruhig schon.« Er nickte zur Tür hin.
»Ah ja. Okay. Bis morgen.«
Jon schlug in den Gelben Seiten nach, konnte jedoch die Telefonnummer des Motels nicht finden. Aber es lag praktisch auf seinem Heimweg, da konnte er ja kurz selbst vorbeischauen.
Er war erstaunt, als er Rick auf dem einsamen Parkplatz neben seinem Auto stehen sah. Jons Wagen parkte fast nebenan. »Springt er nicht an?«
Rick warf einen abwesenden Blick auf seinen Golf. »Nein, alles in Ordnung. Ich wollte nur noch etwas klären.«
Das klingt ja interessant, dachte Jon und verschränkte die Arme.
Ricks Brust hob sich ein wenig, als er nervös einatmete.
»Bei Gordon Dean, da haben Sie mich so angesehen, als ich Ihnen von diesem Lokal erzählt habe, dem Crimson.«
Jon nickte, überrascht, dass es Rick nicht um McCloughlin ging.
Rick schluckte. »Ich hoffe, die Tatsache, dass ich schwul bin, wirkt sich nicht negativ auf unsere Zusammenarbeit aus.«
Auf einmal war Jon erleichtert, dass es dunkel war. So konnte Rick nicht sehen, wie ihm die Röte ins Gesicht stieg. »Nein. Natürlich nicht.«
Rick wandte den Blick nicht von ihm ab. »Gut. So ist es am besten. Dass wir das von Anfang an geklärt haben.«
»Unbedingt. Und für mich ist das überhaupt kein Thema«, erwiderte Jon und merkte, wie seine Wortwahl automatisch in den Politisch-korrekt-Modus wechselte. »Also, dann. Bis morgen.«
»Bis morgen.«
Gleichzeitig sperrten sie ihre Autos auf, öffneten die Tür und stiegen ein. Als Jon den Zündschlüssel drehte, hörte er, wie auch Ricks Motor ansprang. Die Scheinwerfer der beiden Fahrzeuge gingen ebenfalls gleichzeitig an. Jon beugte sich vor und machte Rick ein Zeichen. Der andere Wagen fuhr rasch davon. Jon lehnte sich zurück. Du liebe Zeit! Gerade hatte ihm sein Partner gestanden, dass er schwul war. Er hätte gerne gewusst, ob das in der Einsatzzentrale allgemein bekannt war.
Trotz aller Antidiskriminierungsvorschriften war Homosexualität für viele seiner Kollegen noch immer ein Manko, das dem, der davon betroffen war, der Lächerlichkeit preisgab. Diese Polizisten waren üblicherweise auch überzeugt, dass die meisten Schwarzen diebische, faule Nigger waren.
Bis jetzt hatte sich noch niemand über ihn lustig gemacht, weil er mit einer
Weitere Kostenlose Bücher