Totenhaut
habe gesagt: Wollen wir zulassen, dass ein Haufen Waschlappen aus Liverpool uns auf unserem eigenen Grund und Boden niedermacht?«, brüllte der Kapitän.
»Nein!«, brüllte die Mannschaft zurück. Der Kapitän lief jetzt bereits wie ein Raubtier im Käfig in der Mitte des engen Raumes auf und ab und schmierte sich Vaseline über die Augenbrauen. »Aufstehen! Stellt euch in einen Kreis!«
Alle erhoben sich, Arme legten sich über die Schultern der Teamkameraden. Der Kapitän stand in der Mitte und ging langsam im Kreis herum. »Schaut mir in die Augen. Jeder Einzelne von euch. Gut … ich spür’s, ich seh’s. Ihr wollt es. Beim Tiefhalten am Anfang: Lasst sie zählen. Ich will sie auf ihren Ärschen sehen, noch bevor sie auf die Idee kommen, das Tempo zu bestimmen. Also, Jungs, auf in den Kampf!«
Als sie im Gänsemarsch zur Tür hinausdefilierten, trat der Trainer, ein halsloser Ex-Royal-Marine vor und schnappte sich Jon. Leise sagte er: »Slicer, du hast das Auswärtsspiel verpasst, der, auf den wir aufpassen müssen, ist der rechte Flügelstürmer. Er ist ein dreckiges Miststück, kommt von hinten, ohne dass du’s merkst, erobert beim offenen Gedränge den Ball, wann immer er kann. Wenn er auch nur einen Finger auf unsere Seite des Balls streckt, dann will ich, dass ihn jemand in die Mangel nimmt. Verstanden?«
»Alles klar, Senior«, antwortete Jon und nickte.
Nach dem Spiel war das Vereinslokal brechend voll mit Leuten von beiden Mannschaften, doch in den Augen der Ironside-Spieler lag deutlich mehr Glanz. Sie standen in kleinen Grüppchen zusammen und gingen die Höhepunkte des Spiels noch einmal durch – die erzielten Versuche, die großen Treffer, die raffinierten Pässe.
Jon stand am Ende der Bar, seine Hand steckte in einer mit Eis gefüllten Tubigrip-Bandage. Er trank Orangensaft mit Limo, um seinem Körper die Flüssigkeit zurückzugeben, die er während des Spiels eingebüßt hatte und nach der er jetzt lechzte.
Der Kapitän stellte sich zu ihm und nickte. »Super gespielt, Jon.«
»Danke«, erwiderte Jon, und sein Blick wanderte an das andere Ende des Lokals, wo eine Gruppe von Spielern der gegnerischen Mannschaft saß.
Der Kapitän sah, wohin Jons Blick ging. »Hab gerade mit ihm gesprochen. Er ist ein bisschen angeschlagen, aber sonst geht’s ihm gut. Das war ja vielleicht ein Schlag, den du ihm da verpasst hast.«
Jon zuckte mit der Schulter. »Um den hat er schon die ganze Zeit gebettelt.« Seine Antwort klang beiläufig, doch er war erleichtert. Er tat immer das, was er tun musste, damit sie das Spiel gewannen, doch nach dem Schlusspfiff machte er sich wieder klar, dass auch die Gegner ganz normale Menschen waren wie er. Auch sie hatten einen Beruf und mussten Familien ernähren. Und das konnten sie nur tun, wenn sie nicht wegen Gehirnerschütterung arbeitsunfähig waren.
»Was macht die Hand?«, fragte der Kapitän.
»Wird schon wieder.«
»Hast du jetzt Lust auf ein Bier?«
Jon schaute auf sein fast leeres Glas hinunter. »Nein, Kumpel, ich muss los.«
Der Kapitän nickte sein stummes Verständnis. »Kommst du zum Training?«
»Ich schau, dass ich’s schaffe. Aber der Fall an dem ich gerade dran bin, nimmt mich ganz schön her.« Er trank aus und schlüpfte zur Seitentür hinaus.
Punch erhob sich mit kratzenden Pfoten, als Jon die Küche betrat. Alice und seine jüngere Schwester Ellie saßen am Tisch, die Köpfe über einer Zeitschrift zusammengesteckt. Jon holte aus und ließ seine Sporttasche über den Linoleumboden Richtung Waschmaschine schlittern, dann streckte er die Hände nach seinem Hund aus. Augenblicklich beschnupperte Punch die verletzte Hand.
Jon staunte wieder einmal über die Fähigkeit des Hundes, Verletzungen aufzuspüren, da sagte Alice: »Was ist das denn?«
»Was?«
»Deine Hand. Die schaut ja aus wie ein Luftballon. Was ist denn passiert?«
Jon hielt sie hoch, als sähe er das jetzt zum ersten Mal.
»Oh, ich glaube, da ist mir jemand draufgestiegen.«
»Ach ja, das hab ich schon mal wo gehört«, meinte Ellie und grinste hinterhältig. »Sicher, dass dir nicht das Gesicht von jemandem reingelaufen ist?«
Jon sah sie scharf an.
»Warum du diesen idiotischen Sport betreibst, versteh ich echt nicht«, seufzte Alice. »Im Eisfach sind Eiswürfel.«
Jon öffnete den Kühlschrank. »Magst du ein Bier, kleine Schwester?«
»Na, gib schon her.«
»Alice? Was möchtest du?«
»Nichts, danke.«
Er nahm zwei Dosen aus dem obersten Fach, zog
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