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Totenheer (German Edition)

Totenheer (German Edition)

Titel: Totenheer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Siebert
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zeichneten sich zahllose Si l houetten in der Landschaft ab; Augenpaare glühten auf in einer sti l len Sehnsucht nach Krieg.
    Larkyen ergriff das Wolfszepter, beinahe beschwörend strich er mit seinen Fingern über die eingravierten Runenverse. Die R u nen waren eine faszinierende Machtquelle. Er schrie die Verse mit aller Kraft in den Wind hinaus, auf dass sie in jedem Winkel Kentars erhört würden. Ihre Magie zeitigte eine sofo r tige Wirkung, die sich wie durch ein unhörbarer Ruf unter den Geistern fortpflanzte. Überall begannen sich die am Boden li e genden Gebeine zu bewegen, sie klapperten aneinander und le i teten einen makabren Trommelwirbel ein. Das Feuer in den Augen der Geister strahlte heller als je zuvor, vermochte den gesamten Horizont zu erhellen und ließ innerhalb der Grenzen Kentars die Nacht zum Tag werden. Zu Tausenden kamen die Ge i ster aus allen Himmelsrichtungen heran. Nun waren sie nicht mehr dazu  gezwungen, in unmittelbarer Nähe ihrer G e beine zu verharren. Längst hatten sie zu ihren alten Waffen und Schilden gegriffen, die noch zuvor in der kalten Erde gerostet hatten; manche legten sogar ihre Rüstungen an und verbargen ihre Häupter unter Kriegshelmen. Das Totenheer sammelte sich vor den Dünen, in ihren vordersten Reihen postierten sich die Hauptmänner. Einer von ihnen war Wothar, und all jene Gei s ter, die sich hinter ihm so unruhig bewe g ten wie die raue See, unterschieden sich deutlich von den anderen Kriegern. Denn sie waren von besonders hohem Wachstum und hatten sich in Fetzen dreckiger Wolfsfelle gehüllt. Sie trugen Helme, deren Visiere zu der Fratze eines angriffslustigen Wolfes geschmi e det worden waren. Und ihre Hände waren in Handschuhen ve r borgen, die in langen stählernen Klauen endeten. Bereits als sie noch Fleisch und Blut gewesen waren, hatten sie durch ihr E r scheinungsbild die Phantasien der Menschen beflügelt und s o mit die Legenden über ein Wesen halb Mensch und halb Wolf genährt. Sie waren die Werwölfe. Wieder führte Wothar sie an. und endlich stand der Kentare auf der Seite, die er sich im L e ben selbst ausgesucht hatte. Doch war er nun nicht mehr i m stande, Freude darüber zu empfinden.
    Larkyen vernahm erneut zahllose kalte Stimmen; er bemer k te, dass er sie nicht nur mit seinen Ohren hörte, sondern dass sie auch in seinem Bewusstsein allgegenwärtig sein konnten, wenn er es zuließ. Das Totenheer war mit dem König verbu n den, und nur der Tod vermochte sie zu trennen. Erst jetzt be g riff Larkyen, was Wulfgar gemeint hatte, als er über das Heer als sein verlängerter Arm, als seine Augen und Ohren gespr o chen hatte. Er wusste, wo die Geister w a ren, was sie sahen, hörten und was immer sie tun würden. Es dauerte einen M o ment, ehe Larkyen diese Überflutung der Sinnesreize zu ertr a gen bereit war und sich daran gewöhnte. Dann sah der neue König auf einhunder t tausend Geister herab.
    „Wir brechen auf nach Ken-Tunys!“
     
    Im Schein der aufgehenden Sonne ließ das Totenheer die Grenze Kentars hinter sich und marschierte in das Land Ken-Tunys ein. La r kyen, ihr König, führte sie an, und Patryous ritt an seiner Seite. Es war ein denkwürdiger Moment. Schon aus weiter Ferne wurden viele Ken-Tunesen auf eine solche Tru p penbewegung von hunderttausend Soldaten aufmerksam und all jene, die es tatsächlich wagten, in ihrer Neugierde näher zu kommen, schrien vor Angst und Entsetzen laut auf. Sie sahen eine graubleiche Masse marschierender Gespenster, mit gl ü henden Augen starr vor sich hin blickend, als stünden sie u n ter dem Bann einer Hypnose, die keinen von ihnen verschont ließ. Kein Glanz polierter Rüstungen oder Waffen ging von diesem Heer aus, keine Banner wehten stolz im Wind, es gab keine Schlachtrufe oder Gesänge. Lediglich das Knarren und Sche p pern verrosteter R ü stungen erklang bei jeder Bewegung. Und wer das Heer lediglich hörte, hätte geglaubt, eine riesige M a schine wälze sich über das Land.
    „Die Toten haben sich erhoben“, so erzählten sich die Me n schen, und schnell verbreitete sich diese Schreckensnachricht zwischen den Dörfern und Siedlungen, über die von Flüch t lingsströmen verstopften Handelsstraßen bis hin zu den a n grenzenden Ländern, das nördlich gelegene Tarsun und Bolw a rien im Südwesten. Zu jener Zeit ahnte noch niemand unter den Menschen, dass dieses schrecklichste aller Heere die einzige Hoffnung für die Ländereien des Westens war.
     
    Die Hauptstadt Durial lag

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