Totenklage
wartet.«
Bill Danzig band sich gerade einen Schuh zu. Er blickte ächzend auf, als Jake durch die Tür kam, und sagte: »Kaufen Sie sich bloß keine runden Schnürsenkel.«
»Ich werd’s mir merken«, erwiderte Jake.
Danzig deutete auf einen Stuhl, und Jake setzte sich. »Wie sieht Ihre Terminplanung aus?«, fragte Danzig. »Haben Sie Zeit?«
Jake zuckte die Achseln. »Ich kann mir immer Zeit nehmen. Außerdem sind gerade Osterferien, also hab ich anderthalb Wochen frei.«
»Ausgezeichnet. Nun, was wissen Sie über Madison Bowe?«, fragte Danzig und lehnte sich zurück. Er war ein dicker Mann,
dessen Schultern von einem dünnen Hals schräg nach unten abfielen. Er hatte kleine dunkle Augen und schüttere, nach hinten geklatschte schwarze Haare voller Schuppen. Der Geruch von VO5-Haarwasser umgab ihn wie das Aroma von alten Äpfeln.
»Was ich im Fernsehen gesehen und in den Zeitungen gelesen habe«, sagte Jake.
»Geben Sie mir eine einminütige Zusammenfassung.«
Jake zuckte erneut die Achseln. »Madison Bowe, vierunddreißig Jahre alt, hat Geld geheiratet in Form des ehemaligen Senators Lincoln Bowe, sechsundvierzig. Erzählt im Fernsehen, Lincoln Bowe hätte eine, Zitat, moderat zornige Rede vor einer Gruppe republikanischer Jurastudenten an der Universität von Virginia gehalten.«
Danzig machte ein schmatzendes Geräusch mit den Lippen. Jake hielt kurz inne und fuhr dann fort.
»Anschließend, so sagt sie, wurde er gesehen, wie er mit drei Männern in Anzügen in ein Auto stieg und verschwand. Augenzeugen haben ihr berichtet, die Männer hätten wie Polizeibeamte ausgesehen, mit kurzen Haaren und Knopfhörern im Ohr. Mrs. Bowe behauptet, von hoher Stelle erfahren zu haben, dass die Watchmen ihn sich geschnappt hätten. Sie fürchtet um sein Leben, weil die Watchmen hinterher niemals zugeben könnten, dass sie das tatsächlich getan haben.«
»Das stimmt«, sagte Danzig.
»Sie behauptet außerdem, sie würde auf ihrer Farm in der Nähe von Lexington beobachtet und sei von Watchmen bedroht worden. Sie hat ein Videoband als Beweis dafür, dass man versucht hat, sie einzuschüchtern. Wenn das Band keine Fälschung ist, würde ich sagen, sie hat allen Grund, Angst zu haben. Der Kerl, dieser Watchman, hat sich aufgeführt, als wäre er in der SS oder so … das ist ungefähr alles. Ich meine, es gibt noch einige Details …«
»Scheißmedien«, sagte Danzig. Er nahm einen gelben Bleistift in die Hand und fing an, auf seinem Schreibtisch herumzutrommeln. »Beschissene kleine rechte Arschlöcher von Jurastudenten an der Virginia, beschissene Pferdefarmbesitzer. Das ist der größte Zirkus, seit Bill Clinton sich einen hat blasen lassen.«
»Ja, Sir.«
»Sie sieht außerdem gut aus, Madison Bowe. Blond. Tolle Titten, klasse Arsch. So was mögen die Medien.«
»Ja, Sir, ich hab sie im Fernsehen gesehen«, erwiderte Jake.
»Lincoln Bowe hat keine, Zitat, moderat zornige Rede gehalten«, sagte Danzig. Er hielt inne und beobachtete Jake unter seinen schweren Augenlidern. »Wenn Sie’s gehört hätten, das grenzte schon an durchgeknallt. Er hörte sich an, als wäre er betrunken. Im Grunde hat er behauptet, der Präsident und der Oppositionsführer im Senat wären Kriminelle. Das Ganze geriet völlig außer Kontrolle.«
»Ja, Sir.«
Danzig lächelte mit schmalen Lippen wie eine fette Eidechse. »Ich sollte Sie fragen, Jake, ob Sie irgendwelche Fragen haben.«
»Die offenkundige. Haben die Watchmen ihn sich geschnappt?«
Danzig drehte sich in seinem Ledersessel einmal um die eigene Achse und bremste, bevor er eine zweite Runde antrat. »Das ist die Frage. Und die Antwort lautet: Wir wissen es nicht. Ich halte es durchaus für möglich. Nur Gott weiß, was sich Goodman da unten alles einfallen lässt.«
»Was ist also Ihr Problem?«
»Peinlichkeit. Goodman ist einer von uns, das können wir nicht leugnen. Außerdem fanden wir diese Idee mit den Watchmen großartig, die Idee, freiwillig etwas für Amerika zu tun. Es war wie das Friedenskorps, aber für uns selbst. Etwas, das
John F. Kennedy sich ausgedacht haben könnte. Und das Beste daran, es kostete nichts. Nun sagen die Leute auf einmal, das wär ein Haufen Nazis. Wir wollten Lincoln Bowe loswerden, wir wollten ihn aus dem Senat raus haben, und wir haben Goodman alles gegeben, was er dafür brauchte. Dann verschwindet Bowe, und alles fällt auf uns zurück, und wir sitzen in der Scheiße.«
Jake nickte. Dazu gab es nicht viel zu sagen. Die
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