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Totenklage

Titel: Totenklage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Sandford
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Bones. Das Passwort ist ›Bonester‹.«
    »Das soll wohl ein Scherz sein …« Er schüttelte den Kopf: typisch Eliteuni. »Gibt es einen Safe?«
    »Ja, aber er ist leer. Ich habe ihn gestern ausgeräumt. Er ist übrigens in der Küche, unter einem Ding, das aussieht wie ein eingebautes Hackbrett.«
    Ihre Freundin war immer noch im Wohnzimmer, während sie zusammen zur Haustür gingen. Als er sich von ihr verabschieden wollte, packte sie ihn am Ärmel seines Jacketts, zog seine Schulter herab und küsste ihn rasch auf den Mund. »Sei vorsichtig. Sei bitte vorsichtig.«

    Danach wollte er eigentlich gar nicht mehr gehen, aber er tat es trotzdem. Er hielt bei einem kleinen Supermarkt und rief Don Patzo in Baltimore an. Nach dem vierten Klingeln meldete sich Patzo mit verschlafener Stimme. »Ja?«
    Jake legte auf. Er wollte Patzo persönlich sprechen.
     
    Auf der gesamten Strecke nach Baltimore herrschte viel Verkehr. Er konnte den Kuss immer noch spüren.
    Seiner Erfahrung nach gab es ein breites Spektrum an Küssen, das vom Luftkuss bis zum orgastischen Kuss reichte. Dazwischen lagen Küsse mit Eigenschaften wie zärtlich, heiß, freundschaftlich, das erste Mal, viel versprechend, intensiv, endgültiger Abschied, bis später, verzweifelt und mütterlich sowie Zungenküsse oder die steifen zeremoniellen Küsse auf beide Wangen.
    War das ein erstes Mal gewesen, das ein zweites Mal verhieß, oder war es nur ein freundschaftlicher Kuss gewesen, der nicht unbedingt etwas Gutes zu bedeuten hatte? Hatte sie sich ein bisschen an ihn geschmiegt? War er zurückgewichen? Er glaubte nicht, dass er zurückgewichen war, aber er war ganz eindeutig überrascht gewesen. Hätte er irgendwo hinfassen sollen? Aber wohin?
    Er musste an einen alten irischen Witz denken und grinste. »Mein Gott, Sweeney, hattest du selber denn gar nichts in der Hand?« – »Nur den Arsch von Mrs. O’Hara, der ist zwar ganz ansehnlich, taugt aber keinen Pfifferling bei einer Prügelei …«
    Als wäre man wieder vierzehn.
    Kurz nach neun war er in Baltimore und versuchte, mit Hilfe des Navigationssystems in seinem Wagen Patzos Haus zu finden. Verfuhr sich trotz Navigationssystem. Die Karten zeigten Straßen an, die angeblich durchgingen, es aber nicht taten. Er wanderte eine halbe Stunde herum und fand schließlich das
Haus in einer Sackgasse nicht weit vom Wasser entfernt, wo es unangenehm nach Fisch roch.
    Patzo war der Mann, der versucht hatte, Jake das Einbrechen beizubringen, bevor er nach Afghanistan ging. Er hatte unterschiedlich lange in drei verschiedenen Staaten im Gefängnis gesessen, bevor er den Vertrag mit der CIA abschloss. Im Kurs hatte er gesagt, er wüsste die genaue Zahl nicht, hätte aber wahrscheinlich mehr als zweitausend Einbrüche verübt. »Immer nur erstklassiges Zeug, keine beschissenen Ghettoblaster oder Videospiele.«
    Jake hatte ihn gefragt, wieso er so oft erwischt worden war. »Reine Glückssache, mein Junge. Wie beim Spiel. Du errechnest dir eine Chance von hundert zu eins, dass man dich nicht erwischt, dann machst du es hundertmal, und rate, was passiert? Dein Glück ist ausgereizt.«
     
    Patzo wohnte in einem kleinen Reihenhaus mit Schindelverkleidung, einer Treppe aus Beton und einem sorgfältig geschnittenen Rasen. In einem Blumenkasten kämpften ein Dutzend frisch gepflanzte Petunien um ihr Leben. Jake klopfte einmal, dann noch einmal. Schließlich kam Patzo zur Tür. Jake erkannte ihn nur, weil er wusste, wer er war.
    Der Patzo, den er vor zehn Jahren kennen gelernt hatte, war ein stiernackiger Gauner von Mitte fünfzig mit militärisch kurzem Haarschnitt gewesen. Dieser Patzo hier war irgendwie geschrumpft, auch wenn in seinen schwarzen Augen immer noch etwas Gaunerhaftes funkelte. Sein Gesicht war fahl, was auf Herzprobleme hindeutete, und seine Nase groß und schwammig. Er trug ein schäbiges Flanellhemd, Jeans, die ihm in der Taille zu weit waren, und weiße Sportsocken.
    Er riss die Fliegengittertür auf und sagte: »Yeah?«
    »Don Patzo«, sagte Jake. »Sie haben mal einem Haufen Spezialeinheitstypen Unterricht im Einbrechen gegeben.«

    »Yeah? Na und?«
    »Ich war einer davon. Ich brauch ein bisschen Hilfe.«
    »Verpiss dich, Kumpel.« Patzo begann das Gitter zuzumachen. »Ich hab keine Hinkebeine unterrichtet.«
    »Damals war ich noch kein Hinkebein«, sagte Jake. »Das bin ich erst später geworden. Was ich von Ihnen will, ist ganz einfach und überhaupt nicht gefährlich. Heute Abend ist alles erledigt,

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