Totenklage
schaltete den Computer ein, meldete sich mit dem Bonester-Passwort an und begann, E-Mails zu lesen. Die E-Mails, sowohl die eingegangenen als auch die versendeten, waren auffällig nichts sagend. Zu auffällig. Er ging in das Adressbuch, fand die Adressen von fünfzig bis sechzig Personen, unter anderen die von Howard Barber. Doch als er nach Mails an oder von Barber suchte, fand er keine.
Das E-Mail-Verzeichnis war bereinigt worden.
Patzo kam zurück. »Der Safe ist unter dem Hackbrett in der Küche. Er ist offen. Willst du nachsehen?«
Jake marschierte los. Wie Madison gesagt hatte, war der Safe leer. »Nun, was sagt dir das?«, fragte Patzo.
»Ich hab keinen blassen Schimmer«, antwortete Jake.
»Es sagt dir, dass der Mann, der das Sicherheitssystem in dieser Wohnung eingebaut hat, wusste, was er tat«, erklärte Patzo. »Er weiß, dass er keinen Profi hereinlegen kann, wenn der Profi genug Zeit zum Suchen hat, aber kein verdammter Junkie auf dieser grünen Erde wird diesen Safe jemals finden. Außer durch Zufall. Das heißt, wenn noch mehr Zeug versteckt ist, dann ist das clever gemacht, und man muss nach Zwischenräumen suchen, wo keine sein sollten.«
»Deswegen hab ich deinen Arsch hierhergezerrt.«
Jake ging wieder an den Computer und checkte die Internet-History. Sie war gelöscht und der Cache für das Speichern von Webseiten auf null gestellt worden.
Bowe hatte seine Spuren im PC genau bis zu dem Zeitpunkt gelöscht, an dem er verschwunden war, dachte Jake. Er könnte Madison zur Bank schicken, um herauszufinden, an wen Bowe die Schecks ausgestellt hatte, doch das nahm schon im Normalfall einige Tage in Anspruch und könnte im Falle eines Verstorbenen noch länger dauern und das Hinzuziehen eines Anwalts erfordern.
Doch wenn Bowe sich offensichtlich keine Gedanken über die Finanzpapiere gemacht hatte, die er hinterließ, warum war er dann so vorsichtig mit seinen E-Mails gewesen, den Webseiten, die er besucht hatte, sowie mit seinen medizinischen Unterlagen? Warum hatte der Arzt mit dem Skunkstreifen bestritten, dass er Bowe gesehen hatte? Jake dachte gerade über den Arzt nach, als Patzo erneut hereinkam.
»Hab noch einen gefunden.«
»Noch einen Safe?«
»So was Ähnliches.«
Dieses Versteck befand sich im Wohnzimmer, in einem eingebauten DVD/CD-Regal. »Das hier sieht aus wie eine ganz normale seitliche Abschlussplatte, ist es aber nicht«, sagte Patzo, während er mit den Händen an dem Holz entlangfuhr. »Dahinter befindet sich ein Hohlraum, fünfundvierzig Zentimeter breit, dreißig hoch und dreißig tief. Könnte auch einfach ein Ausmessungsfehler sein, bloß dass hier alles so gut gemacht ist. Alles passt ganz genau, und dann das hier …«
Er tastete weiter herum, gab aber schließlich auf. »Ich weiß nicht, wie das aufgeht. Aber wenn man mit einem Brecheisen dranginge, würde man bestimmt was finden.«
»Vielleicht geht es per Fernbedienung auf«, sagte Jake. »Irgendein Knopf, oder könnte es mit der Fernbedienung vom Fernseher gehen?«
»Für eine Fernbedienung müsste es eine Fotozelle geben. Eher nicht. Wahrscheinlich … Mal überlegen, sie haben es verkabeln müssen, und da man vermutlich keine Kabel durch das ganze Zimmer ziehen wollte, muss es nah dran sein.«
Sie suchten an der Einfassung der Holzverkleidung, unter den Regalbrettern, um den Kamin herum, tasteten hinter dem Fernseher. »Ah«, murmelte Patzo plötzlich, streckte einen Fuß aus und drückte einen Teil der unteren Abschlussleiste herunter. Lautlos glitt eine Schublade aus dem DVD-Regal. »Heilige Scheiße«, sagte Jake, und Patzo meinte: »Das ist ja wie in diesen Pyramidenfilmen, wenn die Grabkammer plötzlich aufgeht.« Dann begannen sie, die Schublade zu untersuchen.
Obendrauf lagen einige abgegriffene Papiere. Jake nahm sie heraus. Darunter konnte man ein Gewirr von Gegenständen aus Leder sehen, zwischen denen Edelsteine aufblitzten. Patzo spähte in die Schublade und sagte: »Dein Freund ist ein Schwuler. Oder so was in der Art. Ein Freak.«
»Ich bin mit der Ehefrau dieses Mannes befreundet«, sagte Jake. Er zeigte auf die Sachen in der Schublade. »Was ist das?«
»Ich kannte mal einen Typ aus der Pornobranche, der hatte eine ganze Kiste voll von dem Zeug«, sagte Patzo. »Das hier ist ein Hundehalsband für Menschen, und das ist die Hundeleine. Ich weiß nicht, was das da ist, aber ich fass es auch nicht an.«
»Oh Gott«, sagte Jake.
»Eine andere Kultur«, sagte Patzo.
»Was?«
»Eine
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