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Totenklage

Totenklage

Titel: Totenklage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Bingham
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ich, » ich bin wohl nicht besonders gut in solchen Dingen.«
    Auf seinem Gesicht zeichnet sich eine Frage ab, die ich ihm beantworten kann. » Ich bin keine Jungfrau mehr, aber … auch nicht sehr erfahren.« Als ich über meine Antwort nachdenke, komme ich zu dem Schluss, dass es die Wahrheit ist. Aber nicht die ganze Wahrheit. » Außerdem bin ich echt bescheuert.«
    » Zur Kenntnis genommen.«
    » Dir ist schon klar, dass ich nicht so bin wie du? Dass ich ein bisschen seltsam bin?«
    Er reißt einen Witz. Lenkt ab. Was Männer eben so tun.
    Ich bleibe hartnäckig. » Nein, wirklich. Das ist mir wichtig. Ich bin nicht wie du. Wenn du ein Problem damit hast, dann … keine Ahnung. Aber du musst das verstehen. Manchmal verschlägt es mich an Orte, die du dir nicht mal vorstellen kannst. Und dann brauche ich unter Umständen deine Hilfe.«
    Er sieht mich an. Seine Miene ist undurchschaubar. » Na ja, wenn es so weit ist, dann sag einfach Bescheid.« Es klingt wie die richtige Antwort, ist es aber irgendwie nicht.
    Leider weiß ich nicht, was ich darauf sagen soll. Was ich sage, ist mit ziemlicher Sicherheit das Falsche.
    » Außerdem hab ich’s nicht so mit Regeln. Mit Regeln komme ich nicht besonders gut klar.«
    » Ich bin Polizist, Fi. Und du auch.«
    » Ja, aber …«
    » Regeln sind unser Geschäft.«
    » Ich weiß …« Und die Pistole? Das Marihuana? Die Sache, die ich für Montagnacht geplant habe? Die Liste der Ja, abers ist lang und wird immer länger. Ich beende den Satz nicht und gebe auch keine weitere Erklärung ab. Ein weiteres Motto von mir: Was nicht dringend erledigt werden muss, bitte immer, immer auf morgen verschieben. Natürlich arbeite ich nicht nach diesem Motto, aber mein Privatleben ist ziemlich stark danach ausgerichtet.
    Die letzten zwanzig Minuten unseres Dates verbringen wir kuschelnd auf dem Sofa. Brydon kann gut küssen. Er hat ein größeres Repertoire, als ich gedacht hätte. Die leidenschaftlichen Knieerweicher kann er gut, aber er verfügt auch über eine große Bandbreite an knabbernden, schnüffelnden, saugenden und flirtenden Küssen. Wieder frage ich mich, womit ich das verdient habe. Piepend verkündet mein Handy den Eingang einer SMS . Sie ist von Bryony. Sie teilt mir mit, dass sie wie verrückt Blumen und Kärtchen verteilt. Abschließend schreibt sie: VIEL SPASS , DU HAST ES DIR VERDIENT .
    » Was Wichtiges?«, fragt Brydon.
    » Nein.«
    Wir kuscheln, bis das Taxi kommt und ich ihn zur Tür begleite. Endlich fühle ich mich wie eine vollwertige Bewohnerin des Planeten der normalen Menschen. Ich bin bald die Freundin von jemandem. Das ist mein Freund. Wir sind beide bei der Polizei. Kriminalpolizei. Mein Freund achtet das Gesetz, deswegen fährt er nun auch Taxi. Ich begleite ihn zur Tür. Da, jetzt kommt der Abschiedskuss. Da, jetzt lächle ich und winke. Wie normal ich doch bin.
    Das Taxi fährt weg, und ich bleibe stehen. Ich will das Gefühl noch etwas länger auskosten. Ich lebe auf dem Planeten der normalen Menschen. Das ist mein Freund. Ich bin seine Freundin. Da, ich bin überglücklich.

37
    Am Sonntag passiert gar nichts. Ich tue so, als würde ich die Wohnung sauber machen. Bin zu faul, um ins Fitnessstudio zu gehen. Vergesse, etwas zu essen. Fahre zum Tee zu meinen Eltern und bleibe bis zehn Uhr abends. Telefoniere zweimal mit Brydon, aber wir verabreden uns nicht. Immer schön langsam.
    Der nächste Morgen – der Montag – ist wieder äußerst seltsam. Ich komme in die Arbeit – pünktlich, aufgeräumt und nicht unter Schock stehend – und erfahre, dass sich die Welt weitergedreht hat. Über das Wochenende wurde Sikorskys mutmaßliche Adresse in Cardiff observiert. Nachdem sich dort nichts tat, wurde die Wohnung in aller Frühe gestürmt und durchsucht. Eine gewaltige Spezialkommando-Operation, die größte seit Bestehen unserer Behörde. Im Büro geht das Gerücht um, dass die Spurensicherung einen Blutfleck auf einem Hosenbein gefunden hat. Wenn es tatsächlich April Mancinis Blut ist, steht Sikorsky kurz vor einer lebenslänglichen Haftstrafe. Aber noch besser – und fast unglaublich – ist die Tatsache, dass in der Wohnung Isolierband und Kabelbinder aus einem Baumarkt gefunden wurden. Beides wurde benutzt, obwohl die Gegenstände noch immer zusammen mit dem Einkaufszettel in der Originalplastiktüte lagen. Man munkelt, dass die Abrisskante des Isolierbands, das bei Stacey Edwards gefunden wurde, mit der der Rolle in Sikorskys Tüte übereinstimmt.

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