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Totenklage

Totenklage

Titel: Totenklage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Bingham
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Warnung an die Touristen, sich fernzuhalten.
    Ich bin erleichtert, weil nur ein Auto auf dem Parkplatz steht. Zwei hätten mich beunruhigt.
    Doch dann sehe ich etwas, das mir ganz und gar nicht gefällt.
    In etwa vierhundert Metern Entfernung vom Ufer liegt ein Boot vor Anker. Ein blaues Boot mit einem schmutzigen weißen Streifen an der Seite. Martyn Roberts’ Boot – dem Bild auf seiner Website nach zu urteilen.
    Martyn Roberts, der einzige Bootsverleiher in ganz Südwales, der mich nicht in sein Fahrtenbuch sehen lassen wollte. Martyn Roberts, der aufgelegt hat, als ich ihn von Rattigan Transport aus anrief. Martyn Roberts, der Mann mit den Vorstrafen.
    Ein Schlauchboot legt gerade ab. Von hier aus ist es nur schwer zu erkennen, aber ich glaube, dass sich drei Personen an Bord befinden. Zwei Männer und eine Frau.
    Jetzt komme ich mir völlig unvorbereitet vor. Wie eine blutige Anfängerin.
    Genauso fühle ich mich immer, wenn ich Lev bei einem echten Kampf zusehe. Natürlich sind das nur Übungskämpfe – ich habe noch nie erlebt, dass Lev ernsthaft versucht hat, jemanden zu verletzen –, aber zumindest gegen jemanden, der fast so versiert und gut trainiert ist wie er selbst. Bei solchen Kämpfen wird mir immer schmerzlich bewusst, dass ich noch weit davon entfernt bin, mich auf eine richtige Auseinandersetzung einzulassen. Mir wird bewusst, wie verwundbar ich wirklich bin.
    Ich hätte ein Fernglas mitnehmen sollen. Ich hätte schon vor zwei oder drei Stunden herkommen sollen. Ich hätte Penry, Lev, Brydon oder besser gleich alle drei mitnehmen sollen.
    Ich hätte auf einem Termin bei DCI Jackson bestehen und ein bis an die Zähne bewaffnetes Einsatzkommando anfordern und andernfalls mit meiner Kündigung drohen sollen.
    Könnte ich ja immer noch. Ich müsste nur Jackson anrufen, ihm sagen, wo ich bin und was hier meiner Einschätzung nach vor sich geht. Dass ich sofort und auf der Stelle Hubschrauber und Taucher und Scharfschützen und Panzerwagen brauche. Dass ich ganz alleine bin und wir keine Zeit verlieren dürfen.
    Ich ziehe die Pistole und renne los.
    Ich laufe durch die Schafweide. Danach folgt ein langer Abhang mit kurzgemähtem Gras und flechtenbewachsenem Sandstein. Ich renne auf die Küste und den Leuchtturm zu. Die Fenster zeigen in die andere Richtung, die Tür genau auf mich. Hoffentlich geht sie nicht auf. Hoffentlich kommt keiner um das Gebäude herumspaziert.
    Etwa fünfzig Meter vom Leuchtturm entfernt bleibe ich stehen. Mein Herz hämmert, mein Blut rauscht in meinen Ohren.
    Das ist der Moment, auf den mich Lev vorbereitet hat.
    Ein Kampf findet nie dann statt, wenn man ihn erwartet. Und er wird auch immer anders verlaufen als gedacht. Man muss dann kämpfen, wenn es eben so weit ist. Und dieser Moment ist jetzt gekommen. Schlachtgesänge, bitte.
    Ich warte, bis sich mein Puls verlangsamt, dann klettere ich über das Tor und gehe entschlossen auf den Leuchtturm zu, wobei ich die Tür im Auge behalte. Alle fünf Schritte sehe ich mich um. Das Schlauchboot hat das größere Boot erreicht. Auf dem Parkplatz ist alles ruhig. Daneben steht ein kleiner Schuppen mit Brennholz und Werkzeugen. Auch hier bewegt sich nichts. Die Sonne und das Meer sind meine einzigen Beobachter. Die Möwen kreischen missbilligend.
    Dann erreiche ich den Fuß der Steintreppe.
    Ob die Tür abgeschlossen ist?
    Ich höre nichts außer dem Meer, dem Himmel und den Möwen.
    Wenn abgesperrt ist, werde ich das Schloss herausschießen. Wenn nicht abgesperrt ist, reiße ich die Tür mit der linken Hand auf und ziele mit der schussbereiten Waffe in der Rechten direkt in den Raum. Ich stelle mir die Bewegung noch einmal vor, dann gehe ich die Treppe hoch.
    Einen Augenblick später stehe ich vor der Tür. Die Zeit scheint in Sprüngen voranzuschreiten. Quantensprünge von einem Zustand in den nächsten, ohne fließenden Übergang. Ich bin vor der Tür. Bereit. Los.
    Meine linke Hand schiebt den Riegel zurück. Mühelos. Ich reiße die Tür auf. Waffe im Anschlag. Das Herz schlägt mir bis zum Hals, oder besser: Es fliegt durch meine Schädeldecke und springt munter in den Dachbalken herum.
    Obwohl hier keine Gefahr lauert.
    Nur Schrecken.
    Huw Fletcher ist tatsächlich hier. Der Mann, den ich verhaften will. Lebendig und bereit zur Verhaftung.
    Viel Widerstand wird er nämlich nicht leisten. Nicht in seinem Zustand. Der arme alte Fletcher sieht ziemlich mitgenommen aus. Er liegt reglos und mit geöffneten Augen an der Wand. Er

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