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Totenklage

Totenklage

Titel: Totenklage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Bingham
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Aber das ist wohl kaum der richtige Ort, um ihn danach zu fragen. Wir reden noch ein bisschen, bis die Anspannung zu groß wird, dann sagen wir beide, dass wir losmüssen, weil wir noch etwas zu erledigen haben. Was in seinem Fall wahrscheinlich auch die Wahrheit ist. Theoretisch haben wir morgen nach wie vor ein Date. Was auch immer ihn umtreibt – wenn die Zeit gekommen ist, wird er es schon ausspucken.
    Wichtiger ist – im Augenblick zumindest – das, was Bryony Williams für mich hat. Selbstverständlich ist sie auch gekommen. Aber nicht in Schwarz – sie trägt ein Top in allen Farben des Regenbogens, dazu eine wuchtige Perlenkette. Ich würde darin grauenvoll aussehen. Sie umarmt mich heftig und sagt mir, wie toll ich bin.
    » Der Trompeter war toll«, sage ich. » Er hat sogar umsonst gespielt.«
    » Das will ich auch verdammt noch mal hoffen.«
    Dann sagt sie, wie gut ihr das Gedicht gefallen und wie gut die Popsängerin es vorgetragen hat. Ich pflichte ihr bei, um ihr die Stimmung nicht zu verderben. Dann sagt sie, wie großartig das erst im Fernsehen sein wird, und ich bin etwas verwirrt, da ich davon nichts weiß. Aber, Tatsache – hinten auf der Empore stehen ein Kameramann und ein Tontechniker, die gerade ihren Kram zusammenpacken.
    » Und das hab ich dir auch mitgebracht«, sagt sie.
    Sie hält ein Blatt Papier hoch. Einer meiner Flyer mit nichts darauf außer meiner eigenen Handschrift.
    Ich sehe sie verwirrt an, woraufhin sie das Blatt umdreht. Auf die Rückseite hat jemand Beim alten Leuchtturm. Bring die Arschlöcher um geschrieben.
    » Weißt du, bei der Arbeit hab ich immer eine Tasche dabei. Mit Tütensuppe und Kondomen und Broschüren und so. Jedenfalls normalerweise. Aber als ich Sonntagabend ausgepackt habe, hab ich den Zettel gefunden. Keine Ahnung, wer ihn wann da reingesteckt hat. Ich weiß auch nicht, was das bedeuten soll.«
    Der alte Leuchtturm.
    Ich weiß es schon. Und es ist nur eine Frage der Zeit, bis ich mithilfe von Google Earth den genauen Standort herausgefunden habe. Beim alten Leuchtturm. Geht klar, Schwester. Bring die Arschlöcher um. Das hatte ich zwar nicht vor, aber wer weiß?
    Mir fällt auf, dass ich ziemlich idiotisch grinse.
    » Sieht aus, als hättest du gefunden, wonach du gesucht hast«, sagt Bryony.
    » Die letzten vierundzwanzig Stunden«, sage ich, » waren die schönsten meines Lebens.«

42
    Der nächste Morgen.
    Nur noch ein, zwei Wochen bis zum längsten Tag des Jahres. Die gute alte Sonne linst schon um kurz nach vier hinter den Dächern hervor, aber der Himmel war schon lange vorher hell und leer. Ich wache gegen halb vier auf, obwohl ich erst nach Mitternacht ins Bett bin. Da ich sowieso nicht erwartet habe, lange schlafen zu können, macht mir das auch nichts aus.
    Ich lege eine CD ein, hole mir was zu essen und drehe einen Joint. Dann liege ich im Bett, höre Musik, frühstücke und rauche. Die Waffe kann ich inzwischen mit geschlossenen Augen bedienen. Sicherung rein, Sicherung raus. Magazin rein, Magazin raus. Ich kann sogar blind Patronen ins Magazin stecken. Es gefällt mir, wie die Kugeln an ihren Platz klicken. Ein schönes präzises metallisches Geräusch. Zuverlässig. Zweckmäßig. Mein Joint gefällt mir auch, aber auf eine ganz andere Art. Wenn die Pistole Papa ist, ist der Joint Mama. Umarmend, tröstend, beruhigend. Beim Grasrauchen geht es nicht um Zweckmäßigkeit, sondern nur ums Sein an sich. Oder nett zu dem zu sein, was bereits existiert. Das ist auch eine schöne Art der Zuverlässigkeit.
    Dann denke ich an Aprils Beerdigung. Die kleine tote April ist jetzt frei, um die nächste Etappe ihrer Reise anzutreten – wie auch immer die aussehen mag. Ich spüre, wie meine Verbindung zu ihr schwächer wird. Im positiven Sinn. Sie hat mir das gesagt, was sie mir sagen wollte. Eine so lächerlich einfache Sache, dass ich schier nicht glauben kann, nicht schon früher darauf gekommen zu sein. Fiona Griffiths, preisgekrönte Philosophiestudentin, hat manchmal ein Riesenbrett vorm Kopf. Das gefällt mir irgendwie. Ich bevorzuge Leute, die nicht allzu einfach gestrickt sind.
    Um halb fünf packt mich die Unruhe. Warum noch warten? Ich stehe auf, dusche und ziehe mich an. Stiefel, Hose, Top, Jeansjacke. Einer plötzlichen Eingebung folgend stelle ich mich vor den Spiegel und reibe mir Gel ins Haar, um es aufzustellen. Das Make-up: rote Lippen, dramatische Killeraugen. Die Rockerbraut. Fertig ausgerüstet und bereit loszulegen.
    Um Viertel nach

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