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Totenklage

Totenklage

Titel: Totenklage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Bingham
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Dummerweise starren sie mich immer noch an. Ich gestikuliere wild, damit sie in die andere Richtung sehen.
    Dann liege ich im Stroh in Brendan Rattigans Fickhöhle.
    Es ist der perfekte Ort, um Mädchen aus Osteuropa festzuhalten. Ihnen Heroin zu verabreichen, sie zu vergewaltigen, zu missbrauchen, sie halb verhungern zu lassen, sie zu verprügeln, bis sie tot sind oder ihn langweilen und durch eine neue Ladung ersetzt werden müssen. Rattigan und seine Kumpels, die eine ähnliche Vorstellung von Unterhaltung haben. Rattigan und seine reichen Fickfreunde. Fickfreunde, die auch nur zehn Prozent Einkommenssteuer zahlen, weil sie zufälligerweise die gleichen Anwälte haben.
    Ich weiß nicht, ob Fletcher auch auf diesem Trip war oder ob er nur Rattigans Mädchen für alles sein wollte, derjenige, der den Laden am Laufen hält. Wahrscheinlich beides. Fletcher war für die Logistik zuständig. Er brachte die Frauen auf die Schiffe und nach Wales.
    Doch dann stürzt Rattigan ins Meer. Er ist mausetot, da ist nichts dran zu rütteln. Ein stinknormaler Flugzeugabsturz. Der Trottel war wahrscheinlich zu eitel, um eine Rettungsweste anzuziehen, und zu arrogant, um Befehle von seinem Piloten entgegenzunehmen. Und während die Leiche seines Bosses über den Grund der Severn-Mündung trieb, beschloss Fletcher, seines Zeichens Vollidiot und ein Zwerg, der sich für einen Riesen hält, auf eigene Faust zu handeln. Wahrscheinlich gab es noch Schulden einzutreiben und Klienten, die sie auch bezahlten. Möglicherweise dachte Fletcher, dass dieses Geschäftsmodell noch ausbaufähig wäre.
    Ein Fehler. Der schlimmste Fehler seines Lebens, der ihn bis dato seine Ohren, seine Zunge, seine Hoden und seine Finger gekostet hat, von der Riesenmenge Blut auf den Dielen im Erdgeschoss mal abgesehen. Ob Fletcher weiterhin unter Rattigans Namen operierte? Schon möglich. Balcescu erschrak bei der Erwähnung des Namens Rattigan so sehr, als wäre er noch am Leben. Vielleicht tat Fletcher so, als hätte Rattigan seinen Tod nur vorgetäuscht, wäre in Wahrheit aber noch dick im Geschäft. Oder Balcescu lebt einfach hinterm Mond. Wie dem auch sei – ihre Reaktion war einer der Hinweise, die mich hierhergeführt haben.
    Eine Zeit lang verdiente Fletcher gutes Geld. Das Geschäft brummte. Aber wenn man sich mit Gangstern aus Kaliningrad einlässt, sollte man mindestens ebenso hart und rücksichtslos sein wie sie. Rattigan erfüllte diese Anforderungen. Und er hatte Geld. Und dazu noch Grips, Charisma, die nötige Großkotzigkeit und Aggressivität. Fletcher war ein Zwerg, der in den Kleidern eines Riesen herumspazierte. Da musste er ja früher oder später ins Stolpern geraten. Seine netten Freunde aus Kaliningrad nutzten ihren Vorteil. Sie beschlossen, sich nicht länger von Fletcher auf der Nase herumtanzen zu lassen. Wenn er mit diesem Geschäft gut verdiente, war für sie sicher noch viel mehr drin. Also übernahmen sie kurzerhand den Laden und fingen an aufzuräumen.
    Janet Mancini war das erste Opfer. Die Kreditkarte. Irgendwann hat Rattigan sie gefickt und sich dabei verplappert. Doch er ließ sie am Leben. Die dumme Janet erzählte ihrer Freundin Stacey Edwards mehr, als gut für sie war. Und das kam dann den Gangstern aus Kaliningrad zu Ohren. Janet begriff, dass sie in Gefahr war. Sie floh in diese Bruchbude, aber ein paar Straßen weiter war nicht genug. Sie hätte mindestens den Kontinent verlassen müssen. Diejenigen, die auf der Suche nach ihr waren, spürten sie irgendwann auf und töteten sie. Und April dazu – nur um sicherzugehen, dass sie ihren kleinen sechsjährigen Mund nicht aufmachte. Sikorsky ist der Täter – kein Zweifel –, doch auch er ist nur ein kleiner Fisch, der Befehle befolgt. Für mich ging es bei dem ganzen Fall nie um Sikorsky.
    Bei Stacey Edwards war es genau das Gleiche. Sie redete zu viel. Warf mit Anschuldigungen um sich. Hat ordentlich Wind gemacht. Also stattete Sikorsky auch ihr einen Besuch ab. Die Art und Weise, auf die sie starb, war eine Botschaft. Eine Botschaft, wie sie die Jungs aus Kaliningrad am liebsten verschicken: Halt’s Maul, sonst …
    So weit hatte ich mir das alles bereits zusammengereimt. Obwohl mich DCI Jackson wohl darauf hingewiesen hätte, dass das meiste reine Spekulation ist. Aber die Wahrheit – zumindest, wenn es sich um eine interessante Wahrheit handelt – erhält man nur, wenn man ein paar wilde Vermutungen anstellt. Vielleicht weicht der tatsächliche Tathergang in einigen

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