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Totenklage

Totenklage

Titel: Totenklage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Bingham
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Was mit den Gegenständen übereinstimmen würde, die wir am Tatort gefunden haben«, sagt Jackson.
    » Ja. Natürlich.« Price interessiert sich nicht im Geringsten für Tatorte, und er braucht einen Augenblick, um den Faden wiederzufinden. » Die Blutproben sind da zuverlässiger, weil die Zusammensetzung des Bluts kaum durch die Flüssigkeitsaufnahme des Opfers verändert wird. Die Immuntests bestätigen den Heroinkonsum. Entweder hat sie kurz vor ihrem Tod eine ziemlich starke oder eine durchschnittliche bis überdurchschnittliche Dosis unmittelbar vor dem Ableben eingenommen. Das ist nicht definitiv festzustellen. Was noch? Mäßiger Blutalkoholspiegel. Rein rechtlich gesehen hätte sie wohl noch Auto fahren dürfen. Und der Methamphetaminkonsum war weder außerordentlich noch fand er in jüngster Zeit statt.«
    Er redet weiter über Drogen und ihren Gesundheitszustand im Allgemeinen und die Größe ihrer Leber und das Fehlen bestimmter Merkmale. Ich mache mir fleißig Notizen, doch Jackson wird irgendwann ungeduldig und wartet darauf, dass Price endlich auf den Punkt kommt. Was er dann endlich auch tut.
    » Die Todesursache? Unbestimmt. Im Prinzip gibt es nur zwei Möglichkeiten zu sterben: das Herz oder die Lunge. Ertrinken, Feuer, eine Schießerei – es kommt nur drauf an, ob das Herz oder die Lunge früher den Geist aufgibt. In diesem Fall könnte beides zugleich passiert sein. Der Zustand ihres Herzens entspricht ihrem Alter und ihrem Lebensstil. Das Herz einer Frau, die noch keine dreißig ist, hört nicht aus heiterem Himmel auf zu schlagen, aber wenn man es ständig mit Drogen bombardiert, ist selbst ein tödlicher Herzanfall nicht ausgeschlossen. Methamphetamin ist ein bekannter Risikofaktor. Außerdem können verschiedene Drogen, gleichzeitig eingenommen, völlig unberechenbare Wechselwirkungen miteinander eingehen.«
    Ich schreibe, so schnell ich kann. Meine Schrift wird immer breiter und undeutlicher.
    » Wie dem auch sei, ich würde auf die Lunge tippen. Atemdepression. Kurzatmigkeit. Desorientierung. Die Folge: Kohlendioxidanreicherung. Respiratorische Azidose. Und die kann tödlich enden.« Jackson nickt und sieht mich an, damit ich auch alles aufschreibe und nichts vergesse. Price redet ungerührt weiter. » Wenn ich recht verstehe, war das Opfer in einer ungewohnten Umgebung?«
    Jackson braucht eine Weile, bis er antwortet.
    » Ungewohnt? Das wissen wir nicht. Jedenfalls hat sie nicht dort gewohnt. Wir wissen nicht, wie lange sie sich dort aufhielt.«
    » Waren möglicherweise Personen anwesend, die sie nicht kannte? Oder handelte es sich generell um eine ungewöhnliche Situation für sie?«
    » Ja, das ist durchaus möglich. Sogar sehr wahrscheinlich.«
    Price nickt. » Es kommt oft vor, dass eine Heroin-Überdosis gar keine Überdosis ist. Es ist die gewöhnliche Dosis, allerdings wird sie in ungewohnter Umgebung eingenommen und beeinträchtigt die homöostatischen Mechanismen des Körpers.«
    Das ist mir neu. Jackson auch, woraufhin Price uns diesen Effekt lang und breit erklärt. Es läuft auf Folgendes hinaus: Wenn jemand anfängt, Heroin zu konsumieren, wehrt sich der Körper nach Kräften gegen die Droge. Wenn sie in gewohnter Umgebung eingenommen wird, ist der Körper auf den toxischen Angriff vorbereitet und kann ihn so effektiv wie möglich bekämpfen. Das führt dazu, dass die Konsumenten früher oder später relativ hohe Dosen wegstecken können. Wenn sie allerdings ihre gewohnte Umgebung verlassen, hat der natürliche Abwehrmechanismus des Körpers keine Gelegenheit, sich dagegen zu wappnen. Daher kann eine ganz gewöhnliche Drogenmenge – dieselbe, die der Konsument etwa in seinen eigenen vier Wänden leicht verkraftet hätte – eine tödliche Wirkung haben.
    » Also gut«, sagt Jackson. » Sie verlässt ihre Wohnung. Es geht ihr nicht besonders gut – warum, wissen wir noch nicht. Sie nimmt Heroin. Die übliche Menge, was allerdings ein großer Fehler ist. Ihr Körper ist nicht darauf vorbereitet, und – zack! – ist sie tot.«
    Gegen diese Theorie erhebt Price mehrere kleinkarierte Einwände. Sie ist ihm viel zu einleuchtend und logisch. Er zweifelt jedes Element der Theorie an und versieht diese Zweifel dann mit einer Unmenge an Fußnoten. Offensichtlich zieht er die schwammigen Resultate seiner Präzisionsarbeit jeder noch so glasklaren intuitiven Ahnung vor. Jackson wirft mir einen Blick zu, und ich höre auf zu schreiben und warte, bis sich Prices Pedanterie totläuft.

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