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Totenklage

Totenklage

Titel: Totenklage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Bingham
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keine Sirene oder ein Blaulicht wie ein Streifenwagen. Das ist ein ganz normales Auto. Und wir sehen aus wie ganz normale Leute. Niemand weiß, dass wir von der Polizei sind, und wir werden es auch niemandem verraten. Verstehen Sie das? Prima. Sie brauchen Hilfe. Sie müssen sich untersuchen lassen.« Ioana will sofort protestieren, doch ich hebe die Hand. » Ich weiß, Sie wollen nicht ins Krankenhaus. Ist schon in Ordnung. Wir können jemanden vorbeischicken, das ist kein Problem. Und zwar ebenfalls in einem Zivilfahrzeug. Keine Streifenwagen, ja? Ein Arzt in ganz normalen Klamotten. Er wird ganz normal aussehen. Einverstanden? Ich weiß, dass Sie Bryony Williams kennen. Wissen Sie, wen ich meine? Die Frau von StreetSafe. Kurzes Haar, Locken.« Ioana nickt. Der Name scheint sie ein bisschen zu beruhigen. » Ich habe sie heute Mittag getroffen. Sie hat mir erzählt, dass es da ein Programm gibt, das Ihnen hilft, von den Drogen loszukommen. Wir wissen, dass Sie Heroin – H – nehmen, und das ist schon in Ordnung. Aus diesem Grund sind wir nicht hier, keine Angst. Wir wollen Ihnen nur helfen. Stimmt doch, Jane?« Jane nickt eifrig, und wieder treffen sich unsere Blicke. Sie will, dass ich weitermache, da bin ich mir diesmal sehr sicher.
    » Ioana, wir würden Sie wirklich gerne aus allem hier rausholen. Ich weiß, das macht Ihnen Angst, aber das ist unser und auch Bryonys Anliegen. Sie müssen nicht sofort damit einverstanden sein, aber sagen Sie nicht gleich Nein. Wir gehen einen kleinen Schritt nach dem anderen. Verstehen Sie das? Ein kleiner Schritt nach dem anderen.«
    » Ja.«
    Ioanas Ja bedeutet zum einen, dass sie mich verstanden hat, und zum anderen, dass sie sich darauf einlassen will. Wäre ich eine Staubsaugervertreterin, würde ich genau diesen Moment wählen, um den Vertrag zur Unterschrift vorzulegen. Jetzt ist sie am verwundbarsten, leicht zu manipulieren. Ich gehe zum Sofa hinüber, auf dem Ioana liegt, lege meine Hand auf ihren Arm und lasse sie dort liegen. Eine einfache Berührung, ohne Bedrohung, ohne Geld, ohne Drogen, ohne Gegenleistung. Wann wurde Ioana wohl zum letzten Mal so berührt?
    Wir schweigen eine Zeit lang. Ich vertraue darauf, dass Jane nichts sagt. Diese Stille ist auf eine bestimmte Weise sehr kostbar.
    » Ioana, Sie wissen, dass wir Ihnen ein paar Fragen stellen müssen«, sage ich schließlich. » Tut mir leid, aber so ist es nun mal. Sie müssen gar nicht laut antworten, nur nicken oder den Kopf schütteln. Wenn Sie die Antwort nicht wissen, heben Sie die Augenbrauen. Ja, genau so. Es dauert nur ein paar Minuten. Wir werden nichts aufschreiben. Wir brauchen nur ein paar Auskünfte. Dann sind wir auch schon wieder weg. Die nächste Person, die Sie zu Gesicht bekommen, ist der Arzt. Danach vielleicht Bryony. Sind Sie damit einverstanden? Haben Sie alles verstanden?«
    Sie nickt.
    » Gut. Dann fangen wir an.« Jane rutscht auf ihrem Sessel herum. Wenn ich die Fragen stelle, ist es ihre Aufgabe, Notizen zu machen. Das habe ich ihr gerade verbaut. Ich führe diese Vernehmung nicht vorschriftsmäßig durch, doch das ist keine böse Absicht. Trotzdem fühlt sie sich unbehaglich, spielt aber mit. Ihr Notizbuch liegt auf ihrem Schoß. Und dort bleibt es auch liegen.
    Zeit für die erste Frage.
    » Kannten Sie Janet Mancini?«
    Nicken.
    » Die kleine April vielleicht auch?«
    Nicken. Ein schräges Nicken mit der Andeutung eines Kopfschüttelns.
    » Okay. Sie kannten April nicht gut, haben Sie aber schon mal gesehen. Waren Sie bei ihnen in der Nacht, in der sie ermordet wurden?«
    Kopfschütteln.
    » Das dachte ich mir schon, aber ich musste diese Frage stellen. Mein Chef würde mich umbringen, wenn ich sie vergessen hätte.«
    Lächeln.
    Meine Hand liegt noch immer auf ihrem Arm. Ich werde sie erst wegnehmen, wenn sie mich abschüttelt.
    » Okay, nun werde ich Sie nach ein paar anderen Leuten fragen. Ein paar werden Sie kennen, ein paar nicht. Ein paar vielleicht. Mal sehen. Bereit?«
    Ich fange an.
    Zuerst nenne ich einige Namen, die ich von Bryony Williams oder aus den Polizeiberichten kenne. Osteuropäische Frauen, die irgendwie mit Prostitution zu tun haben. Ich hätte geschätzt, dass Ioana in etwa die Hälfte von ihnen kennt, und ich habe recht. Mehr als die Hälfte sogar. Ich nenne diese Namen nur, damit sie sich an die Nicken/Kopfschütteln-Methode gewöhnt.
    » Großartig. Das machen Sie ganz wunderbar. Jetzt noch ein paar weitere Namen. Von denen werden Sie nicht so viele

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