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Totenklage

Totenklage

Titel: Totenklage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Bingham
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ob das, was man erfährt, vor Gericht Bestand hat. Deshalb sind wir sehr erleichtert, obwohl ich genau weiß, dass Ioana das genaue Gegenteil empfindet. Sie befürchtet, dass sie gerade ihr eigenes Todesurteil unterzeichnet hat, und vielleicht ist dem auch so. In dem Land, aus dem sie kommt, kann man der Polizei nicht unbedingt trauen. Hier auch nicht. Ioana braucht zwar keine Angst davor zu haben, dass wir auf der Gehaltsliste des organisierten Verbrechens stehen. Sie braucht sich keine Sorgen über Korruption, Kriminalität und Gewalt zu machen. Aber sie muss sich auf unsere Diskretion verlassen können. Eine unbedachte Äußerung vor der Presse, ein Gesprächsfetzen, der im Pub mitgehört wird, könnten zu genau jener Vergeltungsaktion führen, vor der Ioana sich so fürchtet. Es könnte schon reichen, dass wir beim Betreten ihres Hauses gesehen werden, um ihren Tod herbeizuführen.
    Ein paar Sekunden lang beschleicht mich die Ahnung, dass Ioana mit ihren Antworten aus freien Stücken beschlossen hat, ihrem Leben ein Ende zu setzen. So mutig und selbstlos sie damit auch sein mag, es ist trotzdem ein Versuch, diesen ewigen Kampf zu beenden.
    Mir ist ziemlich unbehaglich zumute, als Jane mich stumm dazu drängt, die restlichen Fragen zu stellen.
    » Sehr gut. Vielen Dank. Zum Schluss muss ich Ihnen noch eine sehr wichtige Frage stellen. Fallen Ihnen noch weitere Namen ein? Die von Sikorskys Freunden vielleicht? Diejenigen, die er für die Drecksarbeit engagiert? Kennen Sie die Männer, die gestern bei Ihnen waren? Wenn Sie mir ihre Namen nennen, können wir sie verhaften. Verhaften und sie für eine sehr, sehr lange Zeit ins Gefängnis stecken. Das würden wir gerne tun. Wir sind hier, um Sie und Leute wie Sie zu beschützen. Verstehen Sie das?«
    Ein Nicken, aber verängstigt. Sie will uns nichts sagen. Wird sie auch nicht. Ich glaube, Ioanas Kooperationsbereitschaft ist erschöpft. Und ihrer Miene nach zu urteilen denkt Jane genau dasselbe.
    » Ioana, könnten Sie uns für einen Augenblick entschuldigen? Ich muss mich kurz mit meiner Kollegin unterhalten. Bleiben Sie einfach liegen, und rufen Sie, wenn Sie etwas brauchen.«
    Jane und ich gehen in den Flur, wo wir ein schnelles, geflüstertes Gespräch führen. Ich berichte Jane von dem Ausmaß von Ioanas Verletzungen, da sie sie ja nur kurz in Augenschein genommen hat. Jane bezweifelt, dass die Beweise, die wir gerade gesammelt haben, vor Gericht Bestand haben werden. Wohl nur bedingt. Jeder Strafverteidiger würde sie glatt in der Luft zerreißen und uns beschuldigen, unnötigen Druck auf die Zeugin ausgeübt und zudem einen Verfahrensfehler begangen zu haben, indem wir nicht über das gesamte Gespräch Protokoll geführt haben. Ist ja auch sein gutes Recht. Wenn ich Strafverteidiger wäre, würde ich es genauso machen.
    Andererseits, und das sage ich Jane auch, obwohl sie es selbst sehr gut weiß, blieb uns keine andere Wahl, um an verwertbare Informationen zu gelangen. Wir einigen uns darauf, sofort nach Verlassen des Hauses unabhängig voneinander Protokolle der Vernehmung anzufertigen, sie abzuzeichnen und dann zu vergleichen. Hoffentlich werden die beiden Berichte dann auch im Wesentlichen übereinstimmen.
    Die andere große Frage, die sich stellt, ist, wie viel wir uns von einer fortgesetzten Befragung erwarten dürfen. Laut Vorschrift müssten wir Ioana noch eine Menge weiterer Fragen stellen. Ms Balcescu, wann haben Sie Janet Mancini zum letzten Mal gesehen? Beschreiben Sie, in welchem Verhältnis Sie zu Karol Sikorsky stehen. Ms Balcescu, sind Sie sich im Klaren darüber, dass es sich hier um eine Mordermittlung handelt und die Zurückhaltung von Beweisen eine Straftat darstellt? In dem Stil haben wir ja schon die letzten paar Vernehmungen durchgeführt und dafür ein dickes fettes Nichts kassiert.
    » Soll ich’s mal allein versuchen? Vielleicht erzählt sie mir unter vier Augen ja was. Wenn wir diese Arschlöcher schnappen, können wir sie vielleicht dazu kriegen, eine Aussage zu machen. An ihrer Stelle würde ich kein Sterbenswörtchen sagen, solange die Kerle noch auf freiem Fuß sind. Ich glaube, es wäre besser, wenn wir äußerst vorsichtig vorgehen.«
    Jane denkt nach. Das Ganze zerrt an ihren Nerven, glaube ich. Dass wir die Vorschriften nicht einhalten, macht ihr große Sorgen. Mir nicht. Damit habe ich überhaupt kein Problem. Mein Problem sind eher die Vorschriften an sich.
    Jane nickt. » Also gut. Ich werde inzwischen versuchen, einen Arzt

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