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Totenklage

Totenklage

Titel: Totenklage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Bingham
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Flecke verteilt. Vorne und hinten. » Himmel. Sie armes Ding.« Sie hat hervorstehende Rippen und kleine Brüste. Mädchenbrüste. Ich frage mich, ob sie an einer Essstörung leidet. Als ich einen besonders dunklen Bluterguss auf einer Rippe berühre, verzieht sie das Gesicht. Vielleicht ist die Rippe sogar gebrochen.
    Ich lasse das Top wieder fallen. Mein Mitleid ist nicht gespielt – es ist so echt wie die Wände und die Luft um uns herum. » Waren Sie im Krankenhaus?«
    Blöde Frage. Die Antwort lautet selbstverständlich: » Nein.«
    » Wie trinken Sie Ihren Tee, Ioana? Mit Zucker?«
    » Ein Stück Zucker, bitte.«
    » Wissen Sie was? Heute kriegen Sie mal zwei. Das war ein großer Schock für Sie, da wirkt eine große Tasse süßer Tee Wunder. Sie wurden gestern geschlagen, oder? Diese Blutergüsse sehen ja grässlich aus.«
    Ioana antwortet nicht direkt, aber so, wie sie ihren Kopf neigt, muss ich annehmen, dass es tatsächlich erst gestern passiert ist. Der Tee ist fertig, und Ioana versucht, eine Tasse aufzuheben.
    » Nein, halt, das kann ich doch machen. Gehen Sie einfach voraus.«
    Sie geht wieder ins Wohnzimmer. Ich folge ihr mit den Tassen.
    » Also, Ioana, wo ist es denn am bequemsten für Sie? Hier, auf dem großen Sofa? Jane – das hier ist übrigens Jane, Sie brauchen nicht DS Alexander zu ihr zu sagen, und mich können Sie Fiona nennen, oder einfach nur Fi, wenn Ihnen das lieber ist –, Jane, könntest du mal ein Stück zur Seite rutschen?« Jane steht auf und wirkt sehr unbehaglich, aber auch erleichtert, dass jemand anderes die Sache in die Hand genommen hat. » Ioana, warum setzen Sie sich nicht einfach hier hin? Oder Sie legen sich hin, wenn das bequemer ist. Wo tut’s denn am meisten weh? Ich kann Ihnen ein Kissen aus dem Schlafzimmer holen, wenn Sie wollen. Ich stelle die Tasse hier ab, dann ist sie in Reichweite. So, das ist prima.«
    Nach einer gewissen Zeit hat auch Jane kapiert, worauf ich hinauswill, und verwandelt sich von einer einschüchternden blonden Polizistin in eine etwas mütterlichere und trutschigere Erscheinung. Wenn sie erst mal in Fahrt ist, kann sie noch viel mütterlicher sein als ich. Ich hebe Ioanas Top erneut auf, damit Jane die Verletzungen betrachten kann. Janes sieht sie sich schweigend und mit finsterer Miene an.
    » Also, Ioana«, sage ich und werfe Jane einen Blick zu, um die Erlaubnis einzuholen, mit der Vernehmung fortfahren zu dürfen, » wir werden Ihnen jetzt ein paar Fragen stellen. Sie müssen nichts sagen, wenn Sie nicht wollen. Sie stehen nicht unter Verdacht. Wir sind nicht von der Einwanderungsbehörde, also wollen wir auch nicht Ihr Visum oder Ihren Pass oder so sehen. Verstehen Sie das?«
    Sie nickt.
    » Okay, wenn wir Ma’am oder Mrs Balcescu zu Ihnen sagen sollen, dann tun wir das selbstverständlich. Aber wenn es Ihnen nichts ausmacht, würde ich Sie gerne Ioana nennen. Das ist nämlich ein schöner Name. Wie Joanna, oder?«
    Wieder ein Mikronicken.
    » Also gut. Wir sind hier, weil wir glauben, dass Sie Janet Mancini gekannt haben. Stimmt das?«
    Eine Suggestivfrage. Schlechter Ermittlungsstil, aber Jane lässt es mir noch mal durchgehen.
    Ioana nickt.
    » Schlimm, was mit ihr passiert ist. Kannten Sie Stacey Edwards auch?«
    Kein Nicken. Stattdessen versteift sie sich. Angst.
    » Wissen Sie was, heben wir uns das für später auf. Nach dem, was letzte Nacht passiert ist, müssen wir ja nicht gleich alles auf einmal wieder aufrollen. Wahrscheinlich haben Sie Angst, dass die noch mal wiederkommen, wenn Sie zu viel sagen. Haben Sie davor Angst?«
    » Ja.« Ein deutliches Nicken. Die Atmosphäre im Raum besteht nun glücklicherweise nicht mehr aus purer Angst.
    Ich tausche einen Blick mit Jane aus. Eigentlich sollte sie die Befragung leiten, wie bei den letzten beiden Malen, und ich mir Notizen machen. So hat es DCI Jackson befohlen. » Wenn Sie das vermasseln, sitzen Sie so richtig in der Scheiße, und Sie werden nie wieder einen derartigen Auftrag von mir bekommen.« Das waren seine Worte, wenn ich mich recht erinnere. Aber es gibt mehr als eine Möglichkeit, das hier zu vermasseln, und obwohl ich mir nicht sicher bin, was Janes Blick gerade zu bedeuten hatte, so bedeutete er sicher nicht » Halt sofort die Klappe«, daher rede ich weiter.
    » Okay, Ioana. Wir wollen nicht, dass Sie Ärger kriegen, deswegen machen wir’s Ihnen so einfach wie möglich. Wir sind in einem Zivilfahrzeug gekommen. Wissen Sie, was ein Zivilfahrzeug ist? Das hat

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