Totenkönig (German Edition)
wieder brüllte Khorgo ihren Namen, dann ging auch er von einem Keulenschlag getroffen zu Boden. Er verdrehte die Augen, hielt sich eine blutende Platzwunde an der Stirn. Sein Gesicht war schmerzverzerrt, doch war es der Schmerz eines Vaters, der seine Tochter verliert, der ihn immer wieder schreien ließ.
Larkyen rannte ihr nach. Glaubte er sich anfangs noch unaufhal tsam, so wurde er bereits nach wenigen Schritten ausgebremst. Von allen Seiten waren ihm die Gildenkrieger so nahe gerückt, dass er sich kaum mehr bewegen konnte. Seine Schläge verkürzten sich, es gelang ihm nur noch wenige Velors zu töten. Durch die Lücken in ihren Reihen sah er für einen Moment wieder Zaira. Sie wurde von den Velors zum Ufer des Kanals gezerrt. Und als würden große Wolken die Sonne verdecken, kehrte der Schatten zurück und das Wesen, das ihn warf, zeigte sich ein weiteres Mal.
Es war riesig, beinahe doppelt so groß wie ein ausgewachsener Mann und von überaus drahtiger Statur. Die nackte Haut war fahl und troff vor Feuchtigkeit.
„Meridias“, flüsterte Larkyen.
Der aus alten Sagen bekannte und vielleicht tatsächliche Erbauer der Stadt, war erschienen. Seine milchig weißen Augen besaßen ke ine Lider und funkelten auf eine Weise, wie es Larkyen noch nie bei einem Unsterblichen erlebt hatte. Es war, als strahle das Licht eines vollen Mondes daraus hervor.
Jene Augen waren wie hypnotisiert auf Zaira gerichtet.
Die Velors sanken auf die Knie und verharrten in ihrer untertänigen Haltung, als seien sie zu Stein erstarrt. Zaira kreischte und wand sich vergeblich in den Fesseln ihrer Entführer.
Mit einer Schnelligkeit, der kein Mensch jemals hätte entkommen können, legte der Riese seine Hand um Zaira und hob sie empor, n ahe an sein Gesicht. Zaira stieß einen kurzen Schrei aus, bevor sie die Gnade der Ohnmacht empfing. Ohne den geringsten Laut zu verursachen oder die Wasseroberfläche zu beunruhigen, glitt Meridias mit ihr in das trübe Gewässer des Kanals und verschwand darin. Luftblasen stiegen aus der Tiefe auf.
Khorgo schrie und schrie. Auch er hatte alles gesehen.
Kapitel 6 – Uralte Macht
Larkyen bemerkte, wie Wanar über die Hauptstraße rannte. Der B efehlshaber der Wachmannschaften sah sich nach allen Seiten um. Sein Gesicht war schweißnass, er war außer Atem und konnte er sich in seiner schweren Rüstung kaum noch auf den Beinen halten.
In einer Nebenstraße standen mehrere Soldaten. Er brüllte ihnen Befehle zu. Versuchte sie in die Schlacht zu dirigieren, doch die Männer gehorchten ihm nicht. Stattdessen griffen sie ihn an. Aus i hren Reihen ertönte der Ruf: „Verräter, der Rat will deinen Tod!“
Wanar zeigte sich als guter Kämpfer und wusste sich erfolgreich zu verteidigen. Doch die Soldaten trieben ihn mit ihrer Überzahl immer weiter auf die Reihen der Velors zu.
„Komm zu uns“, rief Larkyen dem Sterblichen zu. Und Wanar schlug sich mit dem Schwert zu Larkyen durch.
„Deine Männer gehorchen dir nicht mehr, Wanar. Das bedeutet, dass du fortan auf der richtigen Seite stehst.“
„Dann bin ich ein toter Mann“, keuchte der Soldat. Sein Gesicht war plötzlich von einer Mischung aus Verzweiflung und Unglauben erfüllt. „Es gibt nur eine Situation, in der meine Männer meinen Befehlen nicht gehorchen würden: Der hohe Rat hat ihnen befohlen, so zu handeln. Der Rat hat absolute Befehlsgewalt.“ Wanar taumelte zwischenzeitlich, es war abzusehen, dass er sich nicht mehr lange auf den Beinen halten konnte. Die Sonne schien erbarmungslos mit heißen Strahlen auf seine schwere Rüstung, raubte ihm seine Kräfte im Dunst der Gluthitze. Mit einer Stimme, in der große Müdigkeit mitschwang, rief er den Velors zu: „Verschwindet endlich von hier. Ihr habt hier nichts zu suchen.“
„Inmitten dieses Kampfes bist du nur ein einfacher Mann ohne Befehlsgewalt“, sagte Larkyen. „Akzeptiere es endlich. Doch du bist auch ein freier Mann.“ Er stützte Wanar mit einem kräftigen Griff und verhinderte, dass der Sterbliche auf die Knie sank. Der Soldat murmelte: „Als ich die Geheimnisse des Rates mit euch teilte, habe ich mein Schicksal besiegelt. Jetzt bin ich des Todes. Ich bin ein Feind des Rates und jener Macht, die ihn beschützt.“
„Die Macht, die ihn beschützt, ist die Macht, die ihn beherrscht. Meridias hat diesen Angriff befohlen.“
„Ich habe ihn auch gesehen“, keuchte Wanar. „Ich habe Meridias mit eigenen Augen erblickt. Er wird mich für meine Tat bestrafen,
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