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Totenkönig (German Edition)

Totenkönig (German Edition)

Titel: Totenkönig (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Siebert
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tat sich waagerecht neben ihnen auf. Er führte unmittelbar durch die dicke Steinwand und war einem winzigen Fenster gleich, das einen undeutlichen Blick hinab in eine von Fackeln erleuchtete Halle gestattete.
    „Die Ratshalle“, flüsterte Larkyen seinen Gefährten zu. „Wir sind bereits im Inneren der Pyramide. Wir müssen leise sein.“
    In der Halle erklangen mehrere Stimmen, sie hallten an den Wänden wider und wurden klar und verständlich durch den Schacht in das Innere des Tunnels geleitet.
    Eng beieinander stehend, sahen Larkyen, Patryous, Khorgo und Za ira hinab in die Ratshalle.
     
    Die acht Ratsmitglieder waren mit ihren roten Gewändern bekleidet. Spitze Kapuzen bedeckten ihre Häupter. Im Halbkreis saßen sie auf ihren Stühlen, die Arme ruhten auf den ausladenden Lehnen. Der neunte Stuhl, der für Granyr bestimmt gewesen war, blieb unbesetzt. Für einen obersten Ratsherrn mit über tausendjähriger Erfahrung würde es so schnell keinen Nachfolger geben.
    Ein Streit zwischen zwei Ratsmitgliedern entbrannte. Die Bete iligten, ein Mann und eine Frau, erhoben sich von ihren Plätzen und ernteten die aufmerksamen Blicke der anderen Ratsmitglieder.
    Der Mann war im mittleren Alter und von hagerer Statur, die sich unter seinem Gewand abzeichnete, sein Gesicht besaß spitze Züge, und der Ausdruck in seinen Augen zeugte von einer gewissen Listi gkeit. Die Frau sah jünger aus, war jedoch von üppiger Statur, und ihr Gesicht war aufgedunsen. Ihre Augen zierten schwarze Lidschatten, und auch ihre Lippen waren schwarz.
    „Der Zorn unseres Herrn wurde geweckt“, sagte der Mann. Eh rfurcht schwang in seiner Stimme mit. „Über ein Jahrtausend haben wir diese Stadt in seinem Auftrag regiert, und zwei Unsterbliche und einige Majunay machen all unsere Bemühungen zunichte.“
    „Die Ursache für dieses Unheil ist das junge Majunayweib“, fügte die Frau hinzu. „Zaira lautet ihr Name, aber unser Herr nennt sie M arityr.“
    „Das Majunayweib sieht Marityr tatsächlich zum Verwechseln ähnlich, sofern mich meine Erinnerung nicht trübt.“ Die Stimme des Mannes verwandelte sich in ein Flüstern, als befürchtete er ungeb etene Zuhörer, während er sagte: „Dennoch glaube ich nicht an eine Reinkarnation. Unser Herr irrt sich, ebenso wie er sich in den Lehren der Totenflüsterer irrt.“
    „Und dieser Irrtum ist verhängnisvoll!“ Die Frau ängstigte sich nicht davor, ihre Meinung laut und deutlich auszusprechen. „Granyr, der oberste Herr unseres Rates, ist tot, ermordet von einem Unster blichen, dessen Jähzorn wir unterschätzt haben. Knapp dreihundert tote Krieger der Velorgilde mussten ohne großes Aufsehen fortgeschafft werden, das Wirtshaus zum wilden Eber wurde verwüstet, und die Bürger fangen längst an, über diese Ereignisse zu reden und unbequeme Fragen zu stellen. Vielleicht sollten wir sogar unser nächstes Fest in der Kathedrale des Fleisches absagen, um nicht zuviel Aufmerksamkeit zu erregen.“
    Die Mehrheit der anderen Ratsmitglieder schüttelte energisch den Kopf, einige begannen sich bereits von ihren Stühlen zu erheben, um das Wort an sich zu reißen.
    „Bitte beruhigt euch!“ rief der Mann. „Bis zum nächsten Vollmond vergehen noch zehn Nächte, bis dahin wird längst wieder Ruhe auf den Straßen eingekehrt sein. Seit Jahrhunderten frönen wir bei Vollmond der Fleischeslust, noch nie haben wir darauf verzichtet. Und wir haben sehr viele neue Sklaven bekommen, mit denen wir uns vergnügen können.“
    „Unser närrischer Herr wird nicht dulden, dass wir feiern, wä hrend er noch immer nach diesem Majunayweib giert“, schimpfte die Frau. „Schon viel zu lange trauert er seiner vergangenen Liebe nach, anstatt sich der Zukunft zu widmen.“
    „Er wird dich hören“, zischte der Mann. Panisch sah er sich um, als wittere er den Erbauer der Stadt in jedem Schatten.
    „Wir sind der Rat von Meridias, der Weltstadt und ihres gleichnamigen Erbauers“, entgegnete die Frau. „Wir dürfen nicht schweigen, wir müssen handeln, bevor die Meridianer zu handeln beginnen und sich eines Tages doch noch gegen uns auflehnen. Wir müssen Stärke zeigen, um die Stadt unter Kontrolle zu halten.“
    „Was also schlägst du vor?“
    „Eine öffentliche Hinrichtung hat die Meridianer immer so eingeschüchtert wie wir es wollten.“
    Der Mann nickte zufrieden und sagte: „Kontrolle durch Furcht.“
    „Das Säen von Furcht und Schrecken war seit jeher unser bestes Instrument, um die Bürger

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