Totenkönig (German Edition)
nie zuvor an einem Unsterblichen gesehen. Auf gewisse Weise fasziniert er mich, und ein Teil von mir wird seine Vernichtung bedauern.“
„Anstatt gegen ihn zu kämpfen, wäre es das Beste, aus dieser ve rfluchten Stadt zu fliehen“, sagte Khorgo. Dem Majunay war anzusehen, wie ungern er jene Worte aussprach. „Ein guter Krieger weiß, wann es Zeit für den Rückzug ist.“
„Er wird euch finden, egal wohin ihr geht“, warnte Patryous. Sie sprach wieder lauter, für einen Moment sah sie Khorgos Tochter in die Augen. „Meridias will Zaira und er wird niemals aufhören nach ihr zu suchen. Wir müssen gegen ihn kämpfen und ihn töten. Doch wir werden versuchen, den Ort unseres Kampfes zumindest selbst zu bestimmen!“
„Er ist einer der ältesten Unsterblichen“, sagte Khorgo. „Mir ist nicht entgangen, wie viel Respekt ihr diesem Feind zollt. Was ist, wenn er euch vernichtet? Ich allein kann meine Tochter vor einem solchen Wesen nicht schützen, aber ich kann mit ihr in einen anderen Teil der Welt fliehen.“
„Du würdest nicht einmal den Hafen lebendig erreichen“, sagte La rkyen. „Sogar wenn es dir gelingt, Meridias vorerst zu entfliehen, so läufst du auf den Straßen des Ostviertels den Velors direkt in die Arme.“
„Mit den Velors nehme ich es ohne weiteres auf. Wir könnten uns gemeinsam mit meinen Landsleuten bis zum Hafen durchschlagen, dann fahren wir mit dem Schiff weiter den Nefalion hinab. Es gibt noch andere Städte, die uns eine bessere Zukunft bieten können.“
„Besinne dich“, tadelte ihn Larkyen. „Du rennst in den sicheren Tod und reißt Zaira mit dir.“
„Wie kannst du es wagen“, knurrte Khorgo.
„Ich werde nicht zulassen, dass du einen solchen Irrsinn begehst.“
„Niemand zwingt dich dazu.“
„Du alter dickköpfiger Narr. Du bist dieser Übermacht von Feinden nicht gewachsen.“
„Pah, ich mag alt sein, aber rede nicht mit mir, als ob ich nie ein Schwert in den Händen gehalten hätte. Der Krieg den du führtest, hat dich anscheinend überheblich werden lassen.“ „Du weißt nichts über meinen Krieg“, flüsterte Larkyen. Er sah Khorgo und seine Tochter lange an, sah tief in ihre Augen, in denen sich all die Sorgen und N öte von zerbrechlichen sterblichen Wesen ablesen ließen. In jenem Moment dachte er wieder an die Menschen in Eisenburg zurück, die er auf eine kaltblütige Art von den Schrecken des Krieges erlöst hatte – gewöhnliche Menschen, keine Soldaten, keine Krieger, nur einfache Männer, Frauen und Kinder. Er dachte an den Blick in ihren Augen, während er, ihr scheinbarer Retter und Befreier, ihnen begegnete. Zuerst flackerte das Licht der Hoffnung darin auf – Hoffnung auf Leben, Hoffnung auf Frieden. Dann, während jener unfreiwilligen Erlösung, zerbrachen ihre Hoffnungen wie ein schäbiger Tonkrug und es blieben nur noch abgrundtiefe Angst und Verzweiflung zurück. Er hätte sie vor den damaligen Feinden nicht retten können, dass wusste er. Das einzige, was er für sie hatte tun können, war, ihnen einen schnellen und gnädigen Tod zu schenken. Aber er konnte Khorgo, Zaira und die anderen Majunay vor Meridias retten, vor der Tyrannei des Rates, vor der Mordlust der Velorgilde. In dieser größten Stadt der Welt vermochte er mehr Hilfe zu geben, als auf den Schlachtfeldern in der Finsternis. Und er beorderte einhundert Soldaten des Totenheers in Richtung Süden.
Kapitel 9 – Die Lehren der Totenflüsterer
„Beruhigt euch bitte!“ Es war Zaira, die sprach. „Streitigkeiten bringen uns nicht weiter.“ Sie sah Khorgo eindringlich an. „Ich weiß, du meinst es gut, Vater, aber wir sollten auf Larkyen hören. Ich fühle mich bei ihm und Patryous am sichersten. Neben Meridias sind wir mit dem Stadtrat und der größten Gilde der Stadt verfeindet. Wir haben keine Aussicht, ihnen zu entkommen, wenn wir allein sind.“
„Kind, ich will dich nur beschützen. Ich würde mein Leben für dich geben.“
„Dass du dein Leben für mich opferst, ist meine größte Sorge, Vater. Wir alle müssen zusammen bleiben, wir dürfen uns nicht trennen. Du warst es doch, der mir an den Feuern unserer Lager von Larkyen erzählt hat, und wie ihr damals an den Ufern des Kharasees zu zweit gegen eine Übermacht von Feinden gekämpft habt. Aus diesen Geschichten schöpfe ich meine Hoffnung, und ich weiß, dass sie nicht vergebens ist.“
„Sie soll nicht vergebens sein“, sagte Khorgo. Doch seine Ve rzweiflung konnte er nicht unterdrücken;
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