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Totenkönig (German Edition)

Totenkönig (German Edition)

Titel: Totenkönig (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Siebert
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Patryous drehte sich zu Larkyen um, und ihre Lippen formten sich zu jenem Lächeln, das von unendlicher Zuneigung und Liebe für ihn zeugte. Er wünschte sich, er wäre mit ihr allein, und die Vorstellung daran ließ auch ihn lächeln.
    Trotz der Schrecken des vergangenen Krieges, trotz all der schweren Kämpfe und teuren Siege, war er sich bewusst, dass er dennoch ein gutes Leben führte, ein sehr gutes Leben.
     
    Die Sonne versank bereits, der Horizont war in Abendrot getaucht – es hätte ein Mahnmal für das Blutvergießen des vergangenen Tages sein können.
    Während Patryous den Verwundeten ein weiteres Mal mit ihren Kenntnissen in Heilkunde beistand, übernahm Larkyen den Posten des Spähers. Er spähte aus der Turmspitze hervor. Die Soldaten, die über die Getreidefelder zogen, hatten deutliche Schneisen hinterlassen, aber der Kathedrale des Fleisches wichen sie in weitem Bogen aus. Nach allem, was an Gerüchten über die Feiern verbreitet worden war, die während der Vollmondnächte in der Kathedrale abgehalten wurden, wunderte es Larkyen nicht. Bereits die Vorstellung von dem, was die Ratsmitglieder unter Freuden und Fleischeslust verstanden, rief schieren Abscheu in Larkyen hervor. Warum sollten die Soldaten anders empfinden?
    Plötzlich wandten sich die Soldaten in Richtung des Stadtzen trums. Dort fingen die Dächer mehrerer Häuser an zu brennen. Die Brandstifter schienen zahlreich zu sein. Der Tumult auf den Straßen weitete sich aus.
    Wanar betrat die Turmspitze. Er atmete schwer, noch immer war sein mit Blut verklebtes Gesicht schmerzverzerrt.
    „Du solltest dich ausruhen“, sagte Larkyen zu ihm.
    „Deine Gefährtin Patryous rät mir dasselbe. Aber ausruhen kann ich mich auch noch, wenn der Aufstand vorbei ist. Ich hätte mich viel früher auf die richtige Seite stellen müssen. Ich sollte da draußen auf den Straßen sein, mit einem Schwert in der Hand, und gegen die So ldaten und Gildenkrieger kämpfen.“
    „Du kannst dich kaum auf den Beinen halten, und mit deiner ve rletzten Hand wärst du nicht fähig, ein Schwert zu halten. Du hast genug gekämpft. Übe dich nun in Geduld, der Aufstand wird schon bald beendet sein.“
    „Ich schulde Lemar so viel“, seufzte Wanar. „Während wir im Versteck der Schattengilde warteten, unterhielten wir uns sehr oft und ich stellte fest, dass meine Ansichten sich kaum von denen L emars unterschieden. Der Unterschied zwischen uns beiden war lediglich, dass ich lange Zeit auf der falschen Seite stand.“
    „Für Selbstvorwürfe gibt es keinen Grund. Dass du einst dem Rat gedient hast, ist nicht mehr wichtig. Wichtig ist nur, auf welcher Se ite du jetzt stehst.“
    Auch Wanar blickte nun aus der Spitze hinaus in die Ferne. Sein Blick war fortwährend auf das Stadtzentrum gerichtet. Die Feuer e rhellten die Dunkelheit. „Es ist, als hätte Lemars Glaube an Gerechtigkeit die Meridianer erfüllt“, sagte er. „Sie alle dachten, er sei schon vor vielen Jahren gestorben. Doch jetzt haben sie erfahren, dass er die ganze Zeit über im Untergrund gelebt hatte und weiterhin sein gutes Werk verrichtete. Sie sahen in ihm einen Hoffnungsschimmer auf eine Veränderung der Machtverhältnisse, und sie fanden ihre Stärke in der Gemeinschaft. Und dann, während Tausende von Meridianern Zeugen wurden, als Lemar tatsächlich starb, entlud sich diese Stärke und nährte den Zorn eines unterdrückten Volkes.“
    Larkyen beobachtete weiterhin die Soldaten. Sie ließen die Felder hinter sich. Bereits auf der ersten Straße, die sie betraten, wurden sie von Aufständischen angegriffen. Die Rüstungen der Soldaten glän zten selbst über weite Distanz sichtbar im Flammenschein der brennenden Häuser. Inmitten der Menschenmassen versanken die Soldaten wie in einem von Sturm gepeitschten Ozean, und stählernen Blitzen gleich fuhren hunderte Schwerter und Äxte auf sie nieder. Der Wind trug das Triumphgeschrei der Aufständischen an Larkyens Ohren, und zuweilen konnte er auch den Geruch von Blut riechen, den kein Mensch über eine solche Entfernung jemals hätte wahrnehmen können. Viel Blut wurde auf den Straßen vergossen.
    Larkyen konnte weiter in die Ferne spähen als ein Adler, und er sah eine Bewegung inmitten eines Wassergrabens. Der Grund wurde durch etwas Großes aufgewirbelt, Wellen breiteten sich auf der Wa sseroberfläche aus. Vom Ufer flatterten mehrere Enten hoch.
    Der Graben führte geradewegs an dem Feld entlang, das sich vor der Kathedrale des Fleisches

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