Totenkönig (German Edition)
konnte das vergossene Blut riechen, er konnte die letzten Atemzüge von Gildenmitgliedern hören – ein klagendes Seufzen in der Nacht.
Patryous sah Larkyen mit einer Mischung aus Skepsis und Entsetzen an.
„Wenngleich wir eine Unterstützung gut gebrauchen können, so hätte ich mir trotzdem eine andere Entscheidung von dir gewünscht.“
„Es sind bereits zu viele unschuldige Menschen gestorben“, sagte Larkyen. „In Ken-Tunys konnten wir ihnen nicht helfen, aber hier, in der Stadt der Welt, haben wir die Gelegenheit, etwas zu bewi rken.“
„Welchen Befehl hast du den Geistern gegeben?“
„Die Vernichtung der Velorgilde.“
„Der gesamten Gilde“, flüsterte Patryous. „Deine Krieger verric hten also soeben ihr Werk.“
„Ich sehe was sie sehen und ihr Werk ist noch nicht beendet. Die V elors sind die mächtigste und ratstreueste Gilde von ganz Meridias. Sie verfügen sogar über ein zehntausend Mann starkes Heer. Die Velors wären fähig den Aufstand niederzuschlagen. Während wir miteinander reden, wird dieses Heer vernichtet. Danach suchen meine Soldaten das Gildenoberhaupt.“
„Ich kann nur hoffen, dass sich diese Stadt und ihre Einwohner von all der Angst und den vielen Schrecken wieder erholen werden.“
„Es bleiben immer Narben zurück“, sagte Larkyen.
„Ja“, seufzte Patryous. Und Larkyen wusste, dass sie beide in di esem Moment von den gleichen Gedanken und Erinnerungen heimgesucht wurden.
Fünf Geister genügten, um die Kathedrale gegen alle Feinde zu verteidigen. Larkyen hatte sie herbeordert, und sie waren erschienen. Sie kletterten durch die Fenster herein, dabei schepperten ihre rostigen Rüstungen und Helme. Die schemenhaften gräulichen Leiber darunter bewegten sich mit einer geradezu tänzerischen Leichtigkeit. Das Glühen ihrer Augen tauchte das Innere der Kathedrale in ein sanftes Licht.
Die Majunay und die Zhymaraner wichen vor den Geistern z urück, einige von ihnen konnten einen Schrei des Entsetzens nicht unterdrücken. Khorgo hatte sogar seinen Säbel gezogen.
„Kommt mir und meiner Tochter nicht zu nahe“, knurrte er die Ge istern an.
„Ruhig, alter Freund“, sagte Larkyen. „Sie sind hier, um euch zu b eschützen. Niemandem von euch werden sie ein Leid antun.“
Almaran deutete mit zitternder Hand auf die toten Kentaren. „Seht euch nur ihre Waffen an“, flüsterte er einem Majunaykrieger zu. „Schwarzer Stahl, makellos. Ich habe von solchen Schmiedea rbeiten in den Geschichten unserer Ältesten gehört. Schwarzer Stahl, der Stahl der Götter.“
Ein kleines Mädchen trat zaghaft aus der Schar der Ostländer he rvor. Eine Frau legte schützend ihre Arme um das Kind und wollte es zurückziehen, aber das Mädchen wehrte sich mit sanfter Kraft dagegen. Es schaute zu Larkyen auf, mit Augen die so braun waren wie die fruchtbare Erde der fernöstlichen Steppenlandschaft. „Ich dachte, du würdest uns beschützen?“ Das Mädchen war frei von Furcht, und kein Geist, kein Unsterblicher, noch die vielen Bedrohungen außerhalb der Mauern vermochten daran etwas zu ändern.
„Ich habe noch etwas zu erledigen“, sagte Larkyen. „Doch ihr werdet während dieser Zeit nicht ohne Schutz sein.“
„Du willst das Monster besiegen“, ahnte das Mädchen. „Das große, weiße Monster.“
„So ist es.“
Jetzt trat der Zhymaraner vor, ebenfalls darauf bedacht, den Geistern nicht zu nahe zu kommen. Nur kurz musterte er die toten Kentaren, bevor er sich Larkyen zuwandte. „Hoher Herr, lass uns mitkommen. Wir kämpfen an deiner Seite.“
Wanar nickte, und auch Khorgo trat vor und sagte: „Wir kämpfen gemeinsam, wie in alten Zeiten.“
„Nein.“ Und in Larkyens Stimme lag etwas Endgültiges. „Ihr alle habt nur dieses eine Leben. Wenn eine Klinge euer Herz durchbohrt, ist es vorbei, dann gibt es keine Heilung, keine Rettung. Bleibt hier und überlebt.“
„Angesichts der Kämpfe, die dort draußen toben, ist es das Beste für euch“, sagte Patryous. „Eure Verluste waren bereits zu zahlreich. Larkyen hat recht. Ihr bleibt hier und werdet überleben.“
„Dann wirst du Larkyen also begleiten?“ fragte der Zhymaraner.
„Ja“, antwortete die Unsterbliche.
Khorgo schüttelte verärgert den Kopf. „Er glaubt wohl, ich wäre zu alt“, murrte er. Die Umarmung seiner Tochter besänftigte ihn schnell. „Vater, ich will nicht, dass du gehst. Bleib bei uns, ich bitte dich.“ Schließlich nickte Khorgo. Noch einmal sah er zu Larkyen und
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