Totenkönig (German Edition)
rief: „Schnapp dir das Monster, und bevor es deine Klinge spürt, bestell ihm schöne Grüße von mir.“
Larkyen und Patryous waren zum Aufbruch bereit, da erklangen draußen die Rufe und Schreie vieler Menschen. Nur einen Spalt weit öffnete Larkyen das Tor.
In Scharen flüchteten Dutzende von Meridianern aus dem Stad tzentrum. Sie hatten breite Schneisen auf den Feldern hinterlassen. Viele von ihnen hielten noch immer Waffen in den Händen, ihre Kleidung war oftmals zerrissen, und nicht selten waren die Meridianer verwundet und mit Blut beschmiert. Und noch etwas war ihnen allen gemeinsam: Der Ausdruck in ihren Gesichtern. Diese Menschen waren mit einer Wahrheit konfrontiert worden, die sie nicht ertragen konnten, sie hatten etwas gesehen, das einige von ihnen nur aus Geschichten kannten, und wagten ihren eigenen Augen nicht zu trauen.
Als Larkyen und Patryous in ihre Umhänge gehüllt vor das Tor traten, wurden sie von einem vorbeirennenden Meridianer gesehen. Der Mann hielt inne und sah zu den Unsterblichen auf. „Flieht, so schnell ihr könnt“, rief der Mann. „Im Stadtzentrum wütet ein ries iges Monster. Ich habe es mit eigenen Augen gesehen, es war größer als jeder Mann, den ich je sah, mit einer Haut so bleich wie der Tod, und es riss die Menschen in Stücke und stahl anderen das Leben durch eine Berührung. Lauft, lauft solange ihr noch könnt.“
„Wo hast du dieses Monster zuletzt gesehen?“ fragte Larkyen.
„Es hielt sich bei der Pyramide auf. Und ich sah, wie es durch das Tor in den Saal des hohen Rates eindrang.“ Der Mann drehte sich noch einmal in Richtung des Stadtzentrums um. Hell ragte die Spitze der Pyramide zwischen mehreren brennenden Häuserdächern auf. Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, setzte der Mann seine Flucht fort.
Immer mehr Meridianer rannten Larkyen und Patryous auf den Feldern entgegen. Ein alter Mann in einem verschmutzten Gewand versuchte verzweifelt, mit den anderen Meridianern Schritt zu halten. Er hinkte auf einem Bein und stützte sich fortwährend auf einen Stock. Schwer atmend, legte er eine Pause ein. Auf seiner Stirn hatten sich Schweißperlen gesammelt. „Geht nicht weiter“, riet er ihnen. „Der Aufstand hat den Zorn des großen Erbauers geweckt. Er beschützt den hohen Rat. Hört auf mich, ich kenne die Geschichten über Meridias.“
Schweigend gingen Larkyen und Patryous an dem alten Mann vorbei. Die beiden Unsterblichen waren die einzigen, die sich dem Stadtzentrum näherten.
In einem anderen Viertel näherten sich die Geister der Kentaren aus sämtlichen Richtungen dem Anwesen des Oberhaupts der Velorgi lde, um das erbarmungslose Werk im Namen des Totenkönigs fortzusetzen. Ähnlich wie schon im Krieg gegen die Strygarer hatten die Geister Straße für Straße, Haus für Haus, durchsucht und alle Feinde, auf die sie gestoßen waren, vernichtet. Die Gilde hatte ein Heer in Richtung Stadtzentrum aussenden wollen um den Rat zu unterstützen und den Aufstand niederzuschlagen. Ein vergeblicher Plan. Im fahlen Mondlicht einer warmen Sommernacht erkalteten die Leiber von zehntausend Gildenmitgliedern.
Und dieses letzte Vorrücken der Kentaren war, als würde sich e ine Schlinge um den Hals eines Verurteilten ziehen. Jener Verurteilte trug den Namen Lavandar der Schreckliche.
Auf der Straße vor dem Anwesen war es ruhig. Über vierzig V elorkrieger hatten sich in kleinen Abständen um den Palast herum verteilt. Ihre Herzen vollführten einen Trommelwirbel im unsteten Takt, der den Ohren der Geister keinesfalls entging. Die Krieger waren nervös und angespannt, und auch wenn sie nicht ahnen konnten, dass sie die letzten Überlebenden der mächtigsten Gilde der Stadt waren, so ahnten sie zumindest irgendeinen Angriff.
Für die Geister der Kentaren waren sie kein Hindernis. Abermals berührten die Hände der Toten lebendige Leiber und brachten sie zum Erkalten.
Auf vielen Wegen fanden die Toten in den Palast, weder Tür noch Tor blieb ihnen verschlossen. Sie spürten das Oberhaupt der Gilde in einem prächtigen Saal auf.
Ihnen gegenüber stand ein unbekleideter Mann von massiger St atur, dessen praller Bauch von Wohlstand und einem Leben in Überfluss zeugte. Seine Haut war aufgedunsen wie die eines Schweins, und seine Nacktheit bot einen ekelerregenden Anblick. Sein Gesicht war durch unzählige Narben entstellt, das linke Auge war getrübt und würde bald gänzlich erblinden.
Er kniete über einer Frau und verging sich aufs
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