Totenkönig (German Edition)
einsetzen. Wir haben auf den richtigen Moment gewartet, um uns Meridias ein letztes Mal zu stellen. Und diesmal darf er uns nicht entkommen“
„Auf einen letzten Kampf!“
Noch zwei Tore mussten Larkyen und Patryous durchqueren. Sie stießen auf keinerlei Widerstand, und auch das letzte Tor war nicht verschlossen. Anfangs herrschte noch Stille und sie waren mit dieser Stille verschmolzen. Dann plötzlich erklang die Stimme eines män nlichen Ratsmitgliedes. „Großer Erbauer, hoher Herr, Meridias, die Stadt entzieht sich allmählich unserer Kontrolle. Die Aufständischen haben seit dem Ausbruch der Unruhen über zehntausend Sklaven befreit. Die ganze Stadt wendet sich gegen uns. Was sollen wir nur tun?“
„Entsendet alle Truppen“, zischte Meridias. „Sie sollen kämpfen, ohne Kompromisse, ohne Gnade. Sie sollen alle kämpfen.“
„Die meisten von unseren Soldaten haben den Dienst verweigert. Sie legten ihre Rüstungen und Umhänge ab und flohen entweder aus der Stadt oder schlossen sich sogar den Aufständischen an.“
„Was ist mit den Gilden? Die Mehrheit aller Gilden war uns i mmer ergeben und wurde gut bezahlt.“
„Jene Mehrheit schien lange Zeit auf den Moment eines Aufsta ndes gewartet zu haben, sie gehörten zu den ersten Überläufern. Noch vor den Soldaten schlossen sie sich den Aufständischen an. Nur eine einzige Gilde ist noch nicht zu unseren Feinden übergelaufen.“
„Die Velors! Gibt es Neuigkeiten über die Velorgilde? Ihre Kri eger haben immer gute Dienste geleistet. Habt ihr einen Boten zu Lavandar dem Schrecklichen gesandt, wie ich es euch aufgetragen habe?“
„Als wir bei Sonnenuntergang einen Boten entsandten, lehnte L avandar unser Gesuch nach Unterstützung ab. Er zeigte sich verärgert, weil er bereits zu viele Krieger im Kampf gegen die Unsterblichen und ihre menschlichen Verbündeten opfern musste. Erst nachdem die Unruhen schlimmer wurden, reagierte er und sagte uns Hilfe zu. Um Mitternacht sollten seine Krieger in das Stadtzentrum aufbrechen, doch nichts dergleichen geschah. Hoher Herr, ich befürchte, wir sind allein.“
„Wer sich gegen uns stellt, wird vernichtet. Und wenn ich diese Taten selbst vollbringen muss. Die Meridianer haben vergessen, wem sie ihren Namen verdanken; so wird es Zeit, es ihnen in Erinn erung zu rufen. Das Blut der Treulosen wird in Strömen durch die Straßen meiner Stadt fließen.“
Wieder herrschte Stille. Vorsichtig spähten Larkyen und Patryous durch das Tor in den Saal.
Meridias saß auf dem großen Thron, seine langen Arme ruhten auf den Lehnen. Die Verletzung, die er durch Patryous` Speer an der Schulter davongetragen hatte, blutete nicht mehr und würde schon in wenigen Tagen verheilt sein. Und auch die Brustverletzung durch Larkyens Schwert wies erste Anzeichen einer Heilung auf, wenngleich noch immer die Rippenknochen wie geborstene Äste aus seiner fahlen Haut hervorragten. Meridias musste sich von über hundert Leben genährt haben, um eine solche Genesung einzuleiten.
Sein Kopf war nach unten gerichtet, und der Blick seiner mi lchigweißen Augen ruhte auf den verbliebenen acht Ratsmitgliedern. In ihre roten Roben gekleidet, knieten sie vor dem Schöpfer der Stadt nieder. Und plötzlich erhob das weibliche Ratsmitglied ihr Antlitz und begann zu sprechen: „Hoher Herr, großer Erbauer, es hätte nicht so weit kommen müssen. Einst saßest du, so wie jetzt, bei uns auf dem großen Thron, und führtest Ratsgespräche mit uns. Doch seit Marityrs Tod hast du uns und der Stadt den Rücken gekehrt und dich nur noch den Lehren der Totenflüsterer gewidmet.“
„Schweig! Und wage es niemals wieder, von Marityr zu spr echen“, knurrte Meridias. Seine Stimme glich nun einem Donnergrollen und ließ für einen Moment den Boden erbeben.
„Nein“, rief die Frau. „Ich habe lange genug geschwiegen, viele von uns haben sogar jahrhundertelang geschwiegen, um dich nicht zu e rzürnen. Doch du hast Unheil über uns gebracht. In blindem Wahn hast du dich den Irrlehren der Totenflüsterer hingegeben. Und seitdem du uns auftrugst, das Majunayweib Zaira einzufordern, haben wir zunehmend die Kontrolle über unsere Stadt verloren.“
„Meine Stadt“ grollte Meridias. „In einer Zeit, als ihr Menschen noch primitive Wilde wart, die gleich den wildesten Tieren in Hö hlen lebten und weder die Kunst des Schmiedens kannten, noch wussten, wie man Türme oder Festungen errichtet, wanderte ich schon über die Welt. Ich habe hier die
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