Totenkönig (German Edition)
das Knacken ihrer Knochen. Jetzt war sie es, die blutete. Meridias schleuderte Patryous mit einer spielerischen Bewegung fort, als wäre sie nichts als Ungeziefer. Dann führte er seinen zweiten Schlag aus.
Larkyen konnte sich im letzten Moment unter der gewaltigen Klinge hinwegducken. Der schwarze Stahl grub sich nur einen Fi nger breit über seinen Kopf in die Wand und blieb dort stecken. Das Gestein zerbarst, und die Bruchstücke mehrerer Wandgemälde prasselten auf Larkyen herab.
Meridias ließ einen Faustschlag folgen und traf. Der Aufprall fe gte Larkyen das halbe Gesicht vom Knochen. Dann riss Meridias mit brutaler Kraft die Schwertklinge aus der Wand,und noch im selben Moment gab ein Teil der Decke nach. Große Steinquader stürzten herab.
Unbeirrt fuhr Meridias mit seinem Werk fort, dabei war der Blick seiner weißen Augen wie gebannt auf Larkyen gerichtet. „Beinahe jedes Mal bedauerte ich es, wenn ich Abkömmlinge der schwarzen Sonne vernichten musste“, brüllte er, und alle Verachtung, alle Wut der Welt drangen aus seiner Kehle. „Deine Vernichtung werde ich jedoch genießen. Du hast mich mit dem schwarzen Stahl angegriffen, und jetzt wirst du durch den schwarzen Stahl sterben.“
Inmitten aufgewirbelter Staub- und Schuttwolken konnte Larkyen die schwarze Klinge nicht länger sehen, dafür hörte er sie – wie sie die Luft förmlich entzweischnitt und vor Energie knisterte. Larkyen rollte sich unter dem Hieb hinweg, dabei suchte er nach Patryous. Er hatte sie noch während ihres gemeinsamen Angriffs aus den Augen verloren. Doch noch immer konnte er sie riechen, sie war nahe.
„Patryous!“ Er rief ihren Namen, so laut er konnte.
Plötzlich schälte sich ihre Gestalt aus einer Staubwolke hervor. Und abermals sprang sie wie eine Raubkatze Meridias entgegen. Ihre Hände bekamen den Schaft des schwarzen Speers zu fassen, dessen Spitze noch immer tief in der Brust des Riesen steckte. Sie riss ihn mit einer Drehung heraus und hinterließ eine klaffende Wunde, aus der eine Fontäne von Blut hervorsprudelte. Meridias schrie. Er ließ sein Schwert klirrend zu Boden fallen. Jetzt griff Larkyen an. Er rannte, so schnell er konnte, und rammte sein Schwert in Meridias` Bauch. Er konnte spüren, wie seine Schwertspitze für einen winzigen Moment auf Widerstand traf, als sie das Rückgrat des Riesen durchtrennte. Meridias taumelte noch wenige Schritte zurück, dann sank er schwerfällig auf den Thron. „Marityr“, flüsterte er. „Marityr.“
Seite an Seite gingen Larkyen und Patryous auf Meridias zu. Sie hielten ihre Waffen in den Händen, bereit zum letzten Stoß. Sie sahen zu Meridias auf, ihre Blicke fanden in die weißen lidlosen Augen des Riesen, in denen das Leben langsam erlosch.
„Wenn Marityr nicht zu mir kommt, dann ist es für mich an der Zeit, zu ihr zu gehen“, seufzte Meridias. „Die Pforte zur Welt der Toten öffnet sich, doch nur in eine Richtung und nur für mich. Mar ityr.“ Eine Träne rann über seine fahle Wange, während sein riesiges Herz aufhörte zu schlagen.
Kapitel 13 – Morgenrot
Lange betrachteten Larkyen und Patryous den leblosen Leib des Sohnes der ersten schwarzen Sonne.
„Sein Tod ist eine Erlösung“, sagte Patryous. „Und dennoch ve rspüre ich trotz all seiner Taten auch Bedauern. Er war einer der Ältesten, er wurde in einer Zeit erschaffen, als die Welt noch eine andere war. Was mag er alles erlebt haben, an welchen Ereignissen hatte er teil?“
„Während seiner langen Lebensspanne hat er nie vergessen, was Liebe ist. Liebe bestimmte sein ganzes Handeln, und sie führte ihn in den Tod und vielleicht sogar zurück in die Gegenwart Marityrs.“
„Damals wie heute hat sich die Macht der Liebe nicht verändert, und dereinst, wenn irgendwann eine vierte schwarze Sonne erstrahlt, wird sie noch immer existieren, unter den Menschen und unter den Unsterblichen.“
„Glaubst du, die Totenflüsterer hatten recht? Waren sie fähig, die Barrieren zwischen Leben und Tod zu überwinden?“
„Nur der Imperator wird dir eine Antwort auf diese Frage geben können. Und ich hoffe, du wirst seine Antwort mit mir teilen.“
„Ich werde alles mit dir teilen.“
„Wir haben beide so viele Freunde und Verbündete sterben sehen, und wir haben vor langer Zeit jene verloren, die wir liebten. Wie Meridias wünsche auch ich mir zuweilen, sie ins Leben zurückholen zu können, doch die Lehren der Totenflüsterer mit ihren grausamen Ritualen können nicht die
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